Ruhe ist dieser Tage die erste Sozi-Pflicht

■ SPD-Basis murrt über die einsamen Koalitionsmauscheleien ihrer Führung

Wahlniederlage? Parteierneuerung? Koalitionsdebatte? Hamburgs knapp 20.000 SPD-Mitglieder, im Wahlkampf noch dringend gebraucht, halten dieser Tage still. Ruhe ist die erste Sozi-Pflicht, so die strikte Order der oberen Funktionärsetage. Gerade linke Führungskräfte verbitten sich jede Einmischung von unten. Ihre Standardfloskel: „Am Donnerstagabend im Parteivorstand, da könnt ihr auf uns bauen. Aber: Es wird nicht einfach.“

Wer sich unter einfachen SPD-Mitgliedern umhört, findet dafür nur wenig Verständnis: Die Arroganz der Mauschelklubs in der eigenen Partei, die doch erhebliche Mitschuld am aktuellen Schlamassel trügen, wird heftig gerügt. Gespannt wartet die brave Basis, ob ihre Führung wenigstens nach dem Donnerstag ihre Demokratieversprechen hält und sie befragt.

SPD-Chef Helmuth Frahm zur taz: „So weiterzumachen wie bisher, weitgehende Entscheidungen ohne die Mitglieder, nur auf der Ebene von Delegierten und Vorstand zu treffen, das kann ich mir schlicht nicht vorstellen.“ Voscherau sekundiert, aber, nicht ganz ohne notarielle Hintertür: „Ich bin für eine Mitgliederbefragung, wenn es denn etwas zu entscheiden gibt.“

Stadtchef-Kandidat Voscherau befragte stattdessen am Dienstagabend einen handverlesenen Kreis Hamburger Gewerkschaftsführer hinter verschlossenen Türen. Die Arbeiterführer erlebten ihren Parteigenossen aufgeräumt und offen. Voscherau berichtete sachlich über die rot-grüne Schnupperrunde vom vergangenen Freitag, lobte die menschlich gute Athmosphäre, erklärte, er sei noch ganz offen und wolle seine Entscheidung von Sachfragen abhängig machen.

„Arbeit und Beschäftigung“, da war man sich schnell einig, müsse im Vordergrund stehen. Debattiert wurde fast ausschließlich über rot-grüne Knackpunkte: Energiewende, Billigtarife für die Stahl- und Aluwerke, Hafen und Verkehr. Etwas abwägender als ÖTV, HBV, GEW und DGB, die sich schon klar für eine rot-grüne Reformkoalition aussprachen, gaben sich die Industriegewerkschaften. Ihr Fazit: Rot-Grün ist vorstellbar, bedarf aber harter und präziser Verhandlungen in den Sachfragen. Die IG-Metall wollte darauf nicht warten. Sie sondiert schon heute persönlich bei Krista Sager. Florian Marten