■ Bachtage
: Bach la Russe

Bachtage

Bach à la Russe

Johann Sebastian Bach am Ende des 20. Jahrhunderts: Kann das mehr sein als bewährtes, unveränderliches Kulturgut oder ohrwurmiger Kommerz a la „Play Bach“? Es kann. Eines der besten Beispiele ist die Auseiandersetzung der 1931 geborenen russischen Komponistin Sofija Gubajdulina mit der Musik des alten Meisters. Allen Widerständen in der ehemaligen Sowjetunion zum Trotz hat sie ihren eigenen Stil entwickelt, in dem sie neben Zwölftonreihen auch Elemente von J. S. Bach und anderen verarbeitet.

Sie macht aber daraus keinen Stilmix, sondern eine Synthese. Viele spüren in ihrer Musik sogar eine „naturhafte Geborgenheit“, denn Sofija Gubajdulina will einen Gegenpol zum Staccato des Alltags schaffen, mit ihrer Kunst „die Zeit des Verweilens der Seele im Geistigen“ wahrnehmbar machen. So wird das berühmte Thema des Musikalischen Opfers von Bach bei ihr zum strukturellen Element des Offertoriums („Opfergesanges“) für Violine und Orchester: Es wird selber Ton für Ton „geopfert“.

Heute abend haben die OrganisatorInnen des Bachfestes der Komponistin einen außerordentlichen Konzertabend gewidmet. Er beginnt in der Kirche Unser Lieben Frauen (nicht im Dom!) mit einer Uraufführung: Die Komponistin hat als Auftragswerk eine Meditation über einen Choral für Cembalo (Robert Hill) und fünf Streicher (Stimmführer der Kammerphilharmonie) koponiert. Anschließend eine spannende Gegenüberstellung: Die sieben Worte Christi am Kreuz, einmal in historischer Spielweise von Heinrich Schütz (1585-1672) und dann in der darauf basierenden Fassung von Gbajdulina, instrumentiert mit dem russischen Akkordeon Bajan, Violoncello und Orchester (Deutsche Kammerphilharmonie Bremen).

Zum zweiten Teil des Konzertes muß das Publikum in die Glocke umziehen: dort erklingt zunächst auf dem Cembalo das sechsstimmige Ricercar aus dem Musikalischen Opfer von 1647 und dann das Offertorium von 1980. Das NDR-Sinfonieorchester und Irvine Arditti (Violine) lassen eine hervorragende Interpretation erhoffen.

Bachs musikalische Intentionen können wir nur erahnen. Die von Sofija Gubajdulina sind dagegen heute Nachmittag zu erfahren: während des Einführungsvortrages des Bremer Musikwissenschaftlers Nicolas Schalz wird sie selber über ihre Musik sprechen. Wilfried Wiemer

16.30 Uhr: Einführung mit S. Gubajdulina. HfK, Dechanatsstraße; 20 Uhr Konzert. Beginn in Unser Lieben Frauen.