Unterm Strich

Der auch in Deutschland vielbeachtete Film „Yol“ des kurdischen Filmemachers Yilmaz Guney, 1982 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, ist am Freitag abend erstmals in der Türkei aufgeführt worden. Der Film war dem Publikum elf Jahre lang von den türkischen Behörden vorenthalten worden. Der Andrang in Istanbul war enorm. Es wurde extra eine riesige Turnhalle umfunktioniert, um den Film zeigen zu können. Unvermeidlich in der gegenwärtigen Lage: Aus der Filmvorführung wurde eine politische Demonstration. Vor und nach der Premiere riefen die etwa 5000 Zuschauer prokurdische Parolen. Die „Filmkontrollkommission“, das offizielle türkische Zensurgremium, hatte im vergangenen Monat die Aufführung des Filmes erlaubt. Er wurde am Freitag nur ein einziges Mal gezeigt. In die Programme der Istanbuler Kinos wird er zunächst nicht aufgenommen. „Yol“ wurde von Guney in einem türkischen Gefängnis geschrieben und von seinem Assistenten Serif Goren gedreht; Guney lenkte die Dreharbeiten vom Gefängnis aus. Er war 1976 wegen „Mordes“ an einem Staatsanwalt zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt worden. 1981 gelang ihm die Flucht nach Frankreich, wo er 1984 an Krebs starb.

Die Infantilisierung der Theaterlandschaft kommt mit mächtigem Schritt voran. Aus England wird uns eine Innovation in der Theatertechnik berichtet, die, wenn's mit rechten Dingen zugeht, demnächst überall Schule machen wird. Das Empire Theatre in Sunderland (Nordostengland) wird anläßlich einer Aufführung von Sergei Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“ aromahaltige Rubbelkarten ausgeben. Zur rechten Zeit gerubbelt, strömen sie den passenden Duft zur entsprechenden Szene aus: „Pulverdampf“ beim Schußwechsel, „Hundefutter“ in der Küche, „Desinfektionsmittel“ im Krankenhaus – und natürlich das Aroma der Orange. Der letzte „Duft“ allerdings könnte manchen vergrätzen: wenn nämlich Farfarello mit seinen Blähungen kämpft.

Irgendwie will es zu den deutschen Schwierigkeiten mit repräsentativen Nationalfeierlichkeiten passen, daß in Saarbrücken just zum dort veranstalteten dritten „Tag der Einheit“ ein internationales Pantomimenfestival stattfindet. Sechs Gruppen aus Georgien, den USA, Argentinien, Brasilien und der Bundesrepublik zeigen ihr lautloses Programm. Da unser nur allzu selten lautloser Kanzler bekanntlich sowohl Probleme mit Gestik und Mimik als auch mit dem frei gesprochenen Wort hat, wäre fürs nächste Mal zu überlegen, ob man nicht vielleicht den sprachlosen Künstlern den offiziellen Teil der nationalen Weihefeierlichkeit überlassen sollte. Nicht nur, daß die armen Redenschreiber ihre Textprogramme schonen könnten – auch die staatstragende Prominenz könnte sich dann zusammen mit der angereisten Bürgerschaft schon mal dem stummen Genuß der Buffets widmen.