■ Mit Muntermachern auf du und du
: Der Schlager Guarana

Rio de Janeiro (taz) – Die Kautschukära ist in Vergessenheit geraten, das Goldfieber abgeklungen. Doch schon bahnt sich ein neuer Rausch im Amazonas an: Die Jagd auf den Muntermacher Guarana. Der schwarze Kern des tropischen Kletterstrauches „Paulina Cupana“ mausert sich zum neusten Exportschlager Brasiliens.

Die Frucht aus dem brasilianischen Urwald scheint für die Bedürfnisse von gehetzten Stadtmenschen wie geschaffen: sie wirkt anregend und stimulierend, löst einen sanften Rausch aus, fördert die Verdauung und soll obendrein noch verjüngen. Hinter den wundersamen Eigenschaften steckt die bekannte Substanz Koffein. Der Guarana-Kern enthält von der stimulierenden Substanz dreimal mehr als eine Kaffeebohne, nämlich rund sechs Prozent. Da das Koffein im Guarana-Kern an Gerbstoffe gebunden ist, entfaltet es seine Wirkung zwar langsam, aber dafür anhaltend.

Unter den Einwohnern der Amazonas-Gemeinde Maues, wo der Strauch auf einer Fläche von 5.000 Hektar angebaut wird, gilt Guarana als natürliches Schönheitheits- und Verjüngungsmittel. „In Maues“, so heißt es in einer Werbebroschüre des Produzenten Manaus Guara Prod. Naturais Ltda, „werden die Leute älter als in ganz Brasilien.“ Die Einwohner der Stadt erfreuten sich einer zimtfarbenen, faltenfreien Haut, und selbst ältere Frauen hätten weder mit Krampfadern noch mit Zellulitis zu kämpfen.

In Brasilien werden inzwischen etwa 3.000 Tonnen des bitteren Pulvers pro Jahr hergestellt. Der Großteil der Produktion stammt aus den Amazonasstaaten Para, Amazonas, Acre und Rondonia. Ein Drittel davon wird zur Herstellung des nationalen Erfrischungsgetränks „Guarana“ verwendet. Der Rest wird zu Sirup, Pillen und rotbraunem Pulver weiterverarbeitet. Als Muntermacher taugt jedoch nur das Pulver.

„Die Vermarktung von Guarana ist für die Amazonas-Region ein einträgliches Geschäft“, meint Carlos Antonio Cunha Almeida, Direktor der Firma Tropical aus Sao Paulo. Er kann beachtliche Wachstumsraten verzeichnen. Almeida exportiert das Aufputschmittel nach Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich, USA, Australien und in die Schweiz. Seinen Handelspartner CGA Guarana Vertrieb in Hamburg beliefert er mit 60 Tonnen im Jahr.

Im Amazonasgebiet mausert sich die Produktion von Guarana derweil zu einem landwirtschaftlichen Industriezweig. Der Kletterstrauch wird dort auf Flächen von bis zu 5.000 Hektar angebaut. Moderne Technologie ermöglicht mittlerweile eine Ernte pro Jahr, während normalerweise der Strauch nur im Fünfjahresrhythmus Früchte abwirft. Die rote Frucht, mit der sich die Indianer seit Jahrhunderten für die Jagd stärken, bringt nun die Wirtschaft des Regenwaldes in Fahrt. Astrid Prange