Oberstaatsanwalt im Zwielicht

■ Personenbezogene Daten weitergegeben: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen „Verstoß gegen das Dienstgeheimnis“     Von Kai von Appen und Kaija Kutter

Im Zusammenhang mit der SAT 1-Schlammschlacht gegen den GAL-Referenten Peter Mecklenburg gerät nun auch der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Rüdiger Bagger ins Zwielicht. Nach taz-Informationen hat Bagger wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl einem der taz-Redaktion namentlich bekannten Springer-Journalisten die Information über eine Vorstrafe Mecklenburgs verbotenerweise weitergeben. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt inszwischen in diesem Fall gegen „Unbekannt“ wegen „Verletzung des Dienstgeheimnisses“. Das bestätigte Generalstaatsanwalt Dr. Arno Weinert der taz: „Da es einen Anfangsverdacht gibt, ist ein Ermittlungsverfahren von der zuständigen Staatsanwaltschaft am Landgericht eingeleitet worden.“

Ein Brief aus dem bergischen Ramsbach brachte den Stein in Rollen: In einem Fax an die GAL brachte der Vorsitzende des „Vereins zum Schutz unserer Kinder“, Walter Glitsch, sein Unverständnis zum Ausdruck, daß die GAL Mecklenburg als jugendpolitischen Sprecher beschäftige, obwohl nach der SAT 1-“Einspruch“-Sendung vom 14. September ein Verfahren wegen Verstoß gegen Paragraph 175 StGB (Homosexualität mit Minderjährigen) eingeleitet worden sei.

Wie berichtet, war Peter Mecklenburg in der Live-Sendung zwei Minuten vor Schluß von dem selbsternannten „Vater der Bahnhofskinder“, Helmut Behnel, als „Kinderficker“ beschimpft worden. Für diese Sendung hatte die „Einspruch“-Redaktion eigens einen Stricher-Jungen nach Berlin eingeflogen, der - offenkundig unter Drogen - Mecklenburg beschuldigte, mit ihm Sexualverkehr gehabt zu haben.

Da die SAT 1-Behauptung auf tönernen Füssen steht - gegen die „Einspruch“-Redaktion hat Mecklenburg inzwischen eine Schmerzensgeldklage in Höhe 200.000 Mark angestrengt - versuchte ein Heer von Boulevard-Journalisten, die Anschuldigungen gegen Mecklenburg zu untermauern. Die „Bild“ veröffentlichte wenige Tage darauf weitere Anschuldigungen gegen den GALier, die Behnel der Boulevardgazettte, gestützt auf die Aussage eines weiteren Jugendlichen, zugespielt hatte.

Doch damit nicht genug. In dem Schreiben des Ramsbacher Kinderschutz-Vereins heißt es weiter: „Weiterhin soll Herr Mecklenburg nach Aussage der Staatsanwaltschaft Hamburg in den Jahren 1963/64 vom Landgericht Dortmund wegen (...) verurteilt worden sein.“

In der Tat war Mecklenburg – damals gerade 15 Jahre alt – zu einer empfindlichen Jugendstrafe verurteilt worden. Nach dem Gesetz müssen Jugendstraftaten nach 15 Jahren aus dem Register gestrichen werden. Die Staatsanwaltschaft darf also derartige Daten nicht weitergeben. Und ein Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (“Lebacher Urteil“) verbietet auch der Presse, im Interesse der Resozialisierung ehemaliger Straffälliger, personenbezogen über eine Tat zu berichten, wenn der Verurteilte die Haft bereits verbüßt hat.

Gegenüber der taz bestätigte Walter Glitsch, daß er die Vorstrafen-Information vor wenigen Tagen von Christa Ziehn, der Vorsitzenden des Vereins „Löwenmütter gegen sexuelle Gewalt an Kindern“, erhalten habe. „Ich habe die Information von einem Journalisten, der sie von Herrn Bagger bekommen hat“, bestätigt Christa Ziehn der taz in einer Eidesstattlichen Versicherung. Ein Journalist, so Ziehn, der „sehr seriös“ sei: „Und wenn der sagt, er hat es von Bagger persönlich, dann glaube ich es ihm“.

Und auch Helmut Behnel wurde von dem Springer-Mann über Mecklenburgs Jugendstrafe informiert. Auch hier mit dem Hinweis, Rüdiger Bagger, der in Eintracht mit Helmut Behnel oftmals die Hamburger Jugendhilfe kritisiert hat (siehe Text unten), habe die Informationen weitergegeben.

Rüdiger Bagger aber streitet kategorisch ab, die geschützten personenbezogenen Daten ausgeplaudert zu haben. Generalstaatsanwalt Arno Weinert: „Ich habe Herrn Bagger am vergangenen Dienstag und Mittwoch gesprochen. Er hat bestritten, etwas weitergeben zu haben, ich halte das auch für unwahrscheinlich. Für mich ist Herr Bagger in dieser Geschichte sauber.“

Vorwürfe aus Sozialarbeiter- und Polizeikreisen, es gebe über Helmut Behnel, der wegen Kindesmißbrauchs, Anleitung zum Diebstahl und Hehlerei mehrfach angezeigt worden ist, eine schützende Hand in der Staatsanwaltschaft, weist Weinert zurück. „Die Aktenlage läßt nicht erkennen, daß nicht hinreichend ermittelt wurde. Das Problem war nur, daß die Zeugenaussagen alle fragwürdig waren.“

Für Mecklenburgs Anwalt Gerd Strate ist der Vorwurf gegen Bagger kein Kavaliersdelikt. Sollten die taz-Erkenntnisse zutreffen, wäre die Informationsweitergabe, so Strate, der Schwere nach Untreue oder Betrug gleichzusetzen. Und auch Arno Weinert räumt ein: „Wenn es zutrifft, daß über die frühere Verurteilung von Herrn Mecklenburg irgendjemand etwas erzählt hätte, dann wäre das ein datenschutzrechtlicher Verstoß und vermutlich sogar strafbar.“