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■ Urdrüs wahre KolumneBräck-Fest mit grauem Hand

Urdrüs wahre Kolumne

Bräck-Fest mit grauem Hund

Dies ist Freitag, der 8.Oktober 1993. Honorar-Generalissimus Karlchen Grabbe hat noch 24 Stunden Zeit, den Geltungsbereich meiner literarischen Gewalttätigkeiten zu verlassen. Danach aber wird ihm die Frage gestellt: „Wo, Herr Konsul, sind Ihre Beweise, daß der ASTA der Uni Bremen die PKK finanziell unterstützte? Und wo, Sie unwürdiger Mix aus großdeutschem Schäferhund und grauem Wolf, sind eventuelle Belege dafür einzusehen, daß Ihre Interhomes nicht so giftig ausdünsten wie Ihre konsularischen Stellungnahmen?“ Daß Nulifer Koc der türkischen Justiz entkommen ist, obwohl dieser Grabbe sie nach ihrer Verhaftung auf das Widerlichste denunziert hat, schlägt diesem niederträchtigen Fertigbaufaß endgültig den Boden aus.

Eine junge Dichterin namens Katja Preugschat reimt im WASA-Pressedienst: „Breakfast wird zum Knäck-Fest“. Ein Kurzgedicht aus der Schule des kreativen Schreibens, hilfreich gegen Atemnot und Grauen Star. Mehr davon!

Am Kundenbrett eines Gröpelinger Supermarkts: „Nadja und Bianca wollen Hunde ausführen. Erledigen auch Kinder und alte Leute zum Einkaufen.“ Glaubt Ihr wirklich, daß es schon einen Markt für sowas gibt?

Dem evangelischen Pressedienst entnehmen wir, daß der Einladung des Umweltbeauftragten Herbert Brückner zum Welttierschutztag ins neue Haus kirchlicher Dienste rund 4O Engagierte und ein großer schwarzer Hund folgten. Stellt diese geringe Akzeptanz bei der Zielgruppe Tier nicht den Sinn solcher Gesprächskreise prinzipiell in Frage?

Ganz anders der nächste Gesprächskreis im Bremer Männerbüro: „Porno — Ventil oder Lust?“ ist das Thema am näxten Donnerstag: „Gemeinsam wollen wir versuchen, die Sprachlosigkeit zu überwinden“. Wo aber steht geschrieben, daß Mann beim Wichsen noch dummes Zeug quasseln muß?

Reicht mir ein Herr im schmucken Dunkelblau des göttlichen Sendboten am Dobben ein Traktat mit dem schönen Titel „Nur der Tor bleibt vor Gottes Toren stehen“. Interessiert vertiefe ich mich in die Lektüre, und fast hätte mich dabei ein blauer PKW beim Überschreiten der Straße touchiert — wenn da nicht der Bote selbst mir nachgerannt wäre, um mir noch ein kleines Evangelium des Johannes zu schenken. Auf solchen Geschichten kann man Glaube und Gemeinde besser aufbauen als auf Werbeagenturen und Ökowein im liturgischen Gerät!

5OO Werbefilme in einer Nacht der Reklamefresser tun sich heute mutmaßlich fesch gekleidete Menschen in einem hiesigen Lichtspieltheater für ein Eintrittsgeld von 35 Mark an, Eis und Cracker inclusive. Was sind das für Damen und Herren, die es soweit treiben: Sadomaso oder einfach Schnecken auf der Schleimspur? Vermutlich wird viel gelacht.

Bremens jüngster Autoknacker heißt Nicky. Der vierjährige Gröpelinger wurde beim Aufbohren eines Mazda gestellt. Genösse der motorisierte Individualverkehr bereits heute die gesellschaftliche Nicht-Akzeptanz, die er verdient: Aus Nicky könnte vielleicht noch etwas anständiges werden, Bäcker, Textildesigner oder Eismann. So aber geht Nicky vielleicht später bei Interhomes in die Hausverkäuferlehre und wird am Ende türkischer Honorargeneralkonsul. Reicht' s erstmal, Herr Karl?

Ulrich Reineking-Drügemöller

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