■ Zum Ende der Kommandeurstagung der Bundeswehr
: Offiziere im politischen Einsatz

Bis zur deutschen Einheit war die Bundeswehr keine nationale Armee mit nationalem Auftrag, sondern nach Entstehung, Existenz und Auftrag integraler und unselbständiger Teil von Planung, Aufbau und Führung der Nato-Streitkräfte. Für die anderen Nato-Staaten ist die Suche nach einem neuen Auftrag Aufgabe ihrer internationalen Außen- und Sicherheitspolitik. Für die Bundeswehr hingegen, die erst mit dem Ende des Kalten Krieges und damit exakt zum Zeitpunkt der Erledigung des vertraglichen Nato-Auftrages eine nationale Armee wurde, ist eine radikal neue Situation entstanden. Aus ihr scheint sich eine massive Identitätskrise entwickelt zu haben. Einen kräftigen Schub scheint sie durch die drastische Reduzierung der Mannschaftsstärke auf 370.000 Mann zu erhalten. Und der dürfte sich voraussichtlich noch beträchtlich verstärken, wenn unübersehbar sein wird, daß diese Mannschaftsstärke ohne Risiko für die nationale Sicherheit und für jede denkbare Erfüllung internationaler Verpflichtungen Deutschlands nochmals halbiert werden kann.

Die in Deutschland geradezu hektische Suche nach neuen Aufgaben und Zielen für die Bundeswehr out of area hat ihre Gründe. Generalinspekteur Naumann trägt ihnen politisch Rechnung – zuletzt setzte er auf der eben zu Ende gegangenen Kommandeurstagung der Bundeswehr dem Reduzierungsschub erneut einen „Out-of-area“-Schub entgegen. Zweckdienlich steuerte er in der in Deutschland politisch und rechtlich noch ungeklärten Lage mit der Forderung, die Bundeswehr solle sich an Kampfeinsätzen im Rahmen der UNO beteiligen, klare politische Vorgaben bei. Er stieß mit ihnen erneut in das Vakuum vor, das zwischen der Unfähigkeit des Bundestages zu einer politischen Entscheidung und der Überforderung des Bundesverfassungsgerichtes durch die Politik entstand.

Soll der Bundeswehr auf diesem Wege eine neue, aber zweifelhalfte Identität verpaßt werden? Oder soll durch eine Diskussion über Einsätze in der Adria und in Somalia von der Identitäts- und Strukturkrise der Bundswehr abgelenkt werden? Etwa so, wie auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit durch eine überzogene Diskussion über einen Großen Lauschangriff vom Personalmangel bei der Polizei abgelenkt wird? Oder soll der besondere politische Einsatz des Generalinspekteurs gar dazu dienen, daß mit einer nationalpatriotischen Debatte über Deutschlands Verantwortung in der Welt die öffentliche Aufmerksamkeit von vielem abgelenkt wird, was aus politischer Verantwortung in Deutschland selbst zu tun ist. Oder was sonst? Hans Arnold

Botschafter a.D., Publizist, u.a. Autor von „Europa am Ende? – Die Auflösung von EG und Nato“