Statt oder Grün?

■ Hamburgs SPD will heute entscheiden

Hamburg (taz) – Von der Hamburger Konrad-Adenauer-Allee aus wird man heute abend ungewohnt lange Licht in der obersten Etage des Kurt-Schumacher-Hauses brennen sehen: Gut zwei Dutzend Sozialdemokraten werden dort eine der erbittertsten politischen Schlachten der letzten zwanzig Jahre ausfechten.

Naive ZeitgenossInnen haben Mühe, den Anlaß zu begreifen: Eigentlich geht es bloß darum, ob die SPD nach ihrer deftigen Wahlniederlage am 19. September jetzt mit den bürgerlichen Protestlern der Statt Partei oder den geläuterten Reform-Grünen in ernsthafte Koalitionsverhandlungen eintritt. Doch schon diese klitzekleine Vorentscheidung gilt als Richtungsentscheidung mit erheblichen Folgen.

Hamburgs SPD-Rechte um Bürgermeister Henning Voscherau kämpft erbittert um eine rechtspopulistische Politik des Weitermachens und des Machterhalts, für den die bürgerlichen Newcomer der Statt Partei als willfährige Steigbügelhalter dienen sollen. Voscherau kann seine Niederlage noch immer nicht begreifen: „Ich finde, daß ich gut regiert habe. Viel zuwenig Leute finden das auch“, gestand er dem Spiegel und empfahl Schnellverfahren gegen Mörder und Vergewaltiger nach US-Vorbild als wirksame Waffe gegen den Bürgerzorn.

Die Rot-Grün-Fans in der Hamburger SPD wissen sich zwar in der Mehrheit, haben aber zu Voscherau, „Hamburgs Heitmann“, wie SPD-Spötter ihn ob seiner immer heftigeren Law-and-Order- Parolen tauften, keine ernstzunehmende Personal-Alternative. „Henning mitnehmen“, lautet die Parole. Ein schwieriges Unterfangen, den Reiter auf ein Roß zu setzen, das ihm zutiefst zuwider ist. So scheint vor der Nacht der langen Messer derzeit alles möglich: Voscherau schmeißt hin, die Rot- Grün-Fans lassen sich erpressen, oder Vorschläge wie etwa die von den Grünen kategorisch abgelehnte Rot-Statt-Grüne „Dreierkiste“ oder eine SPD-Minderheitsregierung. Nur in einem sind sich die politischen Auguren einig: Die Krise der Hamburger SPD hat gerade erst begonnen. Florian Marten