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Erinnerungen an den tea-room im Savoy

■ Cyprien Katsaris in der Musikhalle mit Werken von Schumann, Schubert und Chopin

Cyprien Katsaris schritt gemessen über die Bühne, warf die Frackschöße gekonnt nach hinten, als er sich am Montagabend in der fast ausverkauften Musikhalle an den Flügel setzte: Ein bißchen Musterknabe, ein bißchen altgebliebener Junge.

In den verklingenden Beifall hinein begann er mit Schumanns Kinderszenen und machte damit gleich klar, daß er das bekannte Stück aus ganz eigner Sicht zu spielen gedachte. Nichts Kindliches mehr hatte da die Komposition, alles war in einen Dämmer getaucht, hart am Rand einer gewissen Manieriertheit gehalten - die Tempi oft subjektiv zerdehnt, die Rubati gewagt, manche Pause atemberaubend lang.

Mit zunehmender Dauer wurde allerdings klar, daß es sich um ein intelligent entworfenes, gelassen-engagiert umgesetztes Konzept handelte. Katsaris weiß, was er tut, und er tut es mit geradezu lustvoll demonstrierter Perfektion. Auch Schuberts letztes Juwel, die Sonate B-Dur D.960, entbehrte auf diese Weise jeder Heftigkeit, Grelle, Kraftmeierei. Alles war undramatisch, im Sinn sowohl von entspannter Mühelosigkeit und Abwesenheit plakativer Virtuosität, als auch der Gefahr von Langeweile.

In Chopins Sonate h-moll op. 58 vermißte man jedoch in all den Klangkaskaden und Akkordarabesken, aus denen immer wieder charmant-resignative Melodien auftauchen, dann doch die blitzenden Kanten, die heftigeren Impulse und Kontraste, die für Gliederung sorgen und für Spannung, in einer Musik, die andernfalls leicht wie gefällige Gesellschaftskunst wirken mag. Die zugegebenen freien Improvisationen über Themen von Tschaikowsky und Wagner erinnerten den Rezensenten schließlich an die klavierspielende Dame im goldenen Pavillon des tea-rooms in Londons Savoy Hotel. Der kleine Katsaris war nur um Längen besser. Stefan Siegert

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