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Vermeidung, Verminderung, Verwertung?

■ „Offenes Elbschlick-Forum“ in Lüneburg : Bürgernähe oder Alibiveranstaltung? / Hamburg sucht nach Deponieflächen für den Schiet aus der Elbe, den keiner haben will Von Birgit Maaß

Hamburgs Hafenschlick ist ein Problem – auch für die Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Denn dort, so will es die Hansestadt, soll der Schiet auf Deponien gelagert werden. Ein Thema für das „Offene Forum Elbschlick“, das am Donnerstag in Lüneburg tagt. Dort wollen Vertreter von Bürgerinitiativen, Naturschutzverbänden, Gemeinden und Landkreisen sowie der Wirtschaft und Landwirtschaft nach Möglichkeiten suchen, mit dem Baggergut aus der Elbe umzugehen.

In Rahmenvereinbarungen, die Hamburg bereits 1984 mit den Flächenländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein abschloß, verpflichteten sich die beiden Nachbarn, in Zukunft jeweils ein Drittel der jährlich anfallenden Schlickmenge von damals 600.000 Kubikmetern pro Jahr abzunehmen. Diese Menge ist auf inzwischen 900.000 Kubikmeter pro Jahr herangewachsen, und die Kapazitäten der Hamburger Deponien Feldhofe und Francop werden nach Schätzungen der Wirtschaftsbehörde in spätestens 10 Jahren erschöpft sein.

Die niedersächsische Landesregierung befürchtete starke Bürgerproteste, als sie sich 1992 auf die Suche nach einer geeigneten Deponiefläche machte – zu Recht, wie sich herausstellen sollte. Deshalb wurde das sogenannte „Mediationsverfahren“ bei der Standortsuche eingeführt, in welchem die Bürger an der Suche beteiligt und alle Entscheidungen für die Öffentlichkeit transparent gemacht werden sollten. Zwei unabhängige Institute waren für die Rolle des neutralen Vermittlers vorgesehen.

Dieses Verfahren, so wurde versichert, sei „ergebnisoffen“. Für die niedersächsische Landesregierung stelle es ein „konsensorientiertes“ und demokratisches Vorgehen dar. Mißtrauische Anwohner argwöhnten, die Politiker würden nach dem Motto agieren: „Gib den Bürgern was zu tun, dann stören sie die Pläne nicht“. Es gab Hinweise, daß die Mediation nur zum Schein stattfand, in Wirklichkeit aber schon bestimmte Gebiete ins Auge gefaßt worden waren.

Die Bürgerinitiativen sahen sich in ihren Befürchtungen bestätigt, als bereits vor Abschluß des Verfahrens Gutachten vorgelegt wurden, in denen konkrete Empfehlungen gegeben wurden. Siegrun Hellmann von der Bürgerinitiative im Kehdinger Land: „Das war ein Skandal. Die Deponien sollten auf die grüne Wiese in noch relativ intakte Regionen.“ Aufgrund der starken Proteste – allein im Kehdinger Land wurden in wenigen Wochen 18.000 Unterschriften gesammelt – mußte das Mediationsverfahren abgebrochen werden.

An dessen Stelle ist nun das für alle Interessierten offene „Elbschlickforum“ getreten, das sowohl von den niedersächsischen als auch den Hamburger Behörden getragen wird. Die Leitung übernahm der Rektor der Lüneburger Universität, Prof. Hartwig Donner. Die Aufgabe des Forums wird von den Beteiligten unterschiedlich bewertet: Professor Donner und die Bürgerinitiativen erklärten, zunächst einmal nach Möglichkeiten der Vermeidung, Verminderung und Verwertung zu suchen und erst als letzte Möglichkeit den Bau einer Deponie in Betracht ziehen. Dergleiche Tenor ist auch einer Presseerklärung des niedersächsischen Umweltministeriums zu entnehmen.

Doch das Amt für Strom- und Hafenbau der Wirtschaftsbehörde Hamburg fährt einen anderen Kurs. Deren Pressesprecher Becker erklärte: „Uns hat das Umweltministerium in Niedersachsen versichert, daß der Runde Tisch doch nach Deponiestandorten sucht. Wir brauchen eine Deponie, wie das genau läuft, ist deren Sache.“

Themen genug also für das Fo-rum.

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