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Subventionierte Selbstbedienung

■ Kündigungen bei Hamburger Beschäftigungsgesellschaft: Sozialhilfeempfänger für privaten Häuslebau   Von Sannah Koch

Beschäftigungspolitik: Ein Selbstbedienungsladen für leitende Angestellte? Pünktlich zum fünfjährigen Jubiläum störten vor wenigen Wochen Wirtschaftsprüfer die betriebsame Ruhe in der städtischen Beschäftigungsgesellschaft Hamburg West (HWB). Anlaß: Der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Arbeiten. Die Kontrolleure wurden fündig: Ein Tischlermeister und der technische Leiter der Betriebsstätte Ottensen erhielten die Kündigung. Sie hatten angeblich Mitarbeiter des Betriebs zu privaten Arbeiten herangezogen, diese jedoch nicht korrekt abgerechnet.

In den zwei städtischen Beschäftigungsgesellschaften, der Hamburger Arbeit (HAB) und der HWB, sollen 2400 ehemalige SozialhilfeempfängerInnen in rund 50 Tätigkeitsfeldern wieder für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden. Das Motto des Senats: „Tariflohn statt Sozialhilfe“. Die auf zwei Jahre befristete Beschäftigung soll die Wiedereingliederung in soziale Sicherungssysteme wie Arbeitslosengeld ermöglichen.

Doch durch die Kontrolle in der HWB flog auf, daß die Arbeit der Beschäftigten auch für manch leitenden Angestellten von Nutzen ist. So mußte der Senat auf eine Anfrage der CDU bestätigen, daß rund 40 Beschäftigte der HWB im vergangenen Jahr sowohl das Landhaus des Geschäftsführers als auch die Wohnung des kaufmännischen Leiters renoviert hatten. Der Gesamtrechnungswert dieser Arbeiten: 18.364 Mark bzw. 1.167 Mark.

Doch diese Arbeiten wurden von den Wirtschaftsprüfern nicht beanstandet. Im Gegenteil: Den HWB-Mitarbeitern wird für Privataufträge sogar ein Rabatt auf den Arbeitslohn von 40 Prozent gewährt. Personalrabatt als Einladungsticket zur privaten Selbstbedienung? Ein offenes Geheimnis ist: Das „Fußvolk“ nützt die Möglichkeiten trotz der Vergünstigung nicht, dort fehlt es schlicht am nötigen Kleingeld.

Den gekündigten Angestellten schien jedoch selbst der Personalrabatt nicht günstig genug. Ihnen wird vorgeworfen, Abrechnungen gedrückt und Baumaterial für Privatjobs auf Firmenkosten bestellt zu haben. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet, aber auch die Gekündigten gehen gerichtlich gegen ihren Rausschmiß vor. Selbst dem HWB-Aufsichtsrat und dessen Vorsitzendem, Sozialsenator Ortwin Runde, scheint die Sache unangenehm: Er beauftragte jetzt ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen, alle Mitarbeiteraufträge seit 1989 auf Unregelmäßigkeiten zu durchleuchten.

Schon im Frühjahr diesen Jahres hatte ein ähnlicher Fall für Wirbel gesorgt: Der Altonaer SPD-Politiker und Geschäftsführer der Alto-naer Jugendhilfe (ABM-Beschäftigungsträger), Michael Pape, war in Verdacht geraten, staatlich bezuschusste ABM-Kräfte seines Vereins zweckfremd zur Sanierung von zwei Privathäusern eingesetzt zu haben. Das Arbeitsamt horchte auf, seitdem ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Subventionsbetrug gegen Pape.

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