Biermann will zurück in die Chausseestraße

■ Liedermacher übergab seinem Anwalt Prozeßvollmacht Der heutige Mieter fühlt sich als Opfer „übler Wessi-Manier“

Wolf Biermann will zurück nach Berlin. Er will nicht nach Prenzlauer Berg oder Köpenick und will auch keinen Makler beauftragen, ihm eine geeignete Bleibe zu suchen, nein, er will in seine alte Wohnung, in die Chausseestraße 131 in Mitte. „Ich gehöre in diese Stadt“, sagte er kürzlich und meinte damit jene Wohnung, die er vor seinem Rausschmiß aus der DDR 19 Jahre lang mit seiner Familie bewohnt hatte und in der 1969 illegal die Platteneinspielung „Chausseestraße 131“ entstand.

Wolf Biermann argumentiert, mit seiner Rückkehr nehme er nur sein Recht als Mieter wahr. Er habe bis zu seiner Zwangsausbürgerung aus der DDR 1976 einen gültigen Mietvertrag besessen und bis heute auch keine offizielle Mitteilung über die Kündigung dieses Mietvertrages erhalten. „Weil die Herren damals gerade Weltgeschichte machten, haben sie das einfach vergessen“, zitiert ihn dpa. Jetzt hat er seinen alten Mietvertrag samt Prozeßvollmacht dem Rechtsanwalt und CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns übergeben. Gestern war er nicht erreichbar.

Juristisch „hat Biermann null Komma null Chancen“ mit seinem Begehren, meint hingegen der jetzige Mieter der umstrittenen Wohnung, Roman-Hanno Harnisch. Pikanterweise ist er Pressesprecher der PDS, ein Umstand, der Harnischs Meinung nach „Biermann wohl beflügelt“. Einen Prozeß werde dieser „mit Pauken und Trompeten verlieren“, weil sich in der Wohnungsakte der Kommunalen Wohnungsbauverwaltung (KWV), jetzt Wohnungsbaugesellschaft Mitte, eine „ordnungsgemäße Kündigung“ befinde. „Ich habe diese von Frau Biermann unterschriebene Kündigung selbst gesehen“, sagte Harnisch der taz. Dieses Kündigungsschreiben, von Frau Biermann kurz vor ihrer legalen Ausreise abgegeben, sei für ihn ein Grund gewesen, den eigenen Mietvertrag zu unterschreiben.

Gefunden habe er die Wohnung über eine selbst aufgegebene Wohnungstausch-Zeitungsannonce, und nicht, wie Biermann unterstelle, durch SED-MfS-PDS-Kontakte. „Biermann wurde ohne Zweifel auf eine mistige Weise aus dem Land herausgeworfen“, sagt Harnisch, der nie SED-Mitglied war, „ihm ist unrecht geschehen“. Daß aber dieses Unrecht jetzt auf seinem Rücken, dem seiner Frau und denen seiner drei Kinder ausgetragen werden solle, und zwar „in übler Wessi-Manier“, empfinde er als „ein starkes Stück“. Die Wohnungskampagne sei eine „reine Medien-Show“, wirft Harnisch dem Liedermacher vor. 1991 habe die damalige Lebensgefährtin von Biermann, Eva Maria Hagen, versichert, daß weder sie noch Biermann die Wohnung wieder beziehen wollten. Vor einigen Tagen habe er deshalb in Hamburg angerufen und von Biermann erfahren, daß nicht er, sondern Biermanns Freund Jürgen Fuchs die treibende Kraft für die Rückkehr in die Chausseestraße sei. Für die zehnköpfige Familie von Biermann plus geplantem Produktionsstudio sei die Wohnung auch viel zu klein, denn sie habe vier und nicht, wie Biermann behaupte, siebeneinhalb Zimmer. „Das hatte sie vor Biermanns Einzug in den 50er Jahren“, sagt Harnisch.

Auch die Wohnungsbaugesellschaft Mitte will Harnisch auf keinen Fall kündigen. „Wir können ein Unrecht nicht durch ein zweites wiedergutmachen“, erklärte Geschäftsführer Karl-Heinz Schmidt, „sondern ihm höchstens eine freifinanzierte Ersatzwohnung anbieten.“ Eine Position, die auch Senatssprecher Michael Butz vertritt. Die Regierung könne nicht in den Streit eingreifen und damit „neue Privilegien schaffen“. aku