Noch draußen vor der Tür

■ Selbst Polens Linke halten die Nato für gesellschaftsfähig

Warschau (taz) – Das erste positive Signal kam aus Brüssel – kurz nachdem Michail Gorbatschow auf der Krim gefangengenommen wurde und ein selbsternanntes „Komitee der nationalen Errettung“ in Moskau die Macht an sich gerissen hatte. Plötzlich konnten sich die Regierungssprecher mehrerer europäischer Länder vorstellen, auch Polen, die – damalige – Tschechoslovakei und Ungarn in die Nato aufzunehmen. Polens Außenminister Skubiszewski sollte sich darauf später noch berufen.

Doch kaum war der Moskauer Putsch in eine Farce machthungriger Trunkenbolde gemündet, ging die Nato wieder auf Abstand. Und da ist sie bis heute auch geblieben, zur großen Enttäuschung der polnischen Rechten, die das Thema nach der Auflösung des Warschauer Pakts auf die Tagesordnung setzten.

Dem Drang in die Nato haben sich inzwischen auch die Linksparteien angeschlossen. Vorbehalte gab es bisher vor allem bei der exkommunistischen „Sozialdemokratie der Republik Polen“ (SdRP) und der Bauernpartei. Beide waren der Meinung, Polens Anstrengungen seien wenig realistisch und erst dann sinnvoll, wenn sich die Nato reformiert habe – als militärisches Organ der KSZE – und dabei auch die Sicherheitsinteressen Moskaus berücksichtigt würden. Da diese aber sowohl von Moskau selbst als auch von Brüssel stets in den Vordergrund geschoben wurden, setzten sich Polens Linke damit häufig dem Vorwurf aus, Polens Interessen den russischen unterzuordnen, wie Polens Kommunisten früher nicht selten die polnischen Interessen denen der Sowjetunion untergeordnet hatten. Gegen den linken Strom schwamm dabei die „Union der Arbeit“, deren politische Wurzeln teilweise auf die Solidarność-Bewegung zurückgehen. Sie vergatterte ihre Koalitionspartner dieser Tage auch zu einer außenpolitischen Debatte, als deren Ergebnis PSL und SLD zugestanden, ihre künftige Regierung werde danach streben, Polen so schnell wie möglich in die Nato zu integrieren. „Die außenpolitische Situation hat sich geändert“, verkündete PSL- Experte Andrzej Micewski, „deshalb hat sich auch unsere Haltung geändert.“ Auch Polens Linke, heißt es, hätten die Ereignisse in Moskau und Jelzins Botschaft an die Westeuropäer erschreckt. In seinem Brief hatte Jelzin den Westen aufgefordert, die osteuropäischen Nachbarn nicht vor Rußland selbst in die Nato aufzunehmen. Einen Monat zuvor hatte Jelzin in Warschau, Prag und Bratislava noch erklärt, ein Nato-Beitritt dieser Länder stehe den russischen Sicherheitsinteressen nicht entgegen.

Jelzins Veto gegen den Beitritt der westlichen Nachbarn Rußlands und seine Forderung nach einer faktischen Suspendierung des Wiener Abkommens über den Abbau der konventionellen Rüstung erklärt man sich in Warschau vor allem damit, daß Jelzin nun durch die Moskauer Kämpfe mehr Rücksicht auf die Armee nehmen müsse, die ihm gegen Ruzkoi und Chasbulatow aus der Klemme geholfen habe. Klaus Bachmann