Mukojima im Spiegel gesehen

■ Besuch in Ottensen aus einem Tokioter Stadtteil

„Aus der Liebe auf den ersten Blick ist inzwischen eine feste Beziehung geworden,“ freute sich die Filmemacherin Brigitte Krause, die den Stadtteildialog vor zwei Jahren in die Wege leitete: Eine Woche lang waren Stadtplaner, Theaterleute und Mitglieder der Kawanote-Bürgerinitiative aus Mukojima/Tokio zu Gast beim Stadtteilarchiv Ottensen.

Delegationsleiter Toshiya Yamamoto: „Gehe ich durch Ottensen, sehe ich Mukojima im Spiegel.“ Mukojima, der „Ort auf der anderen Seite“, liegt wie Ottensen am Fluß, sechs Kilometer vom Zentrum entfernt. Hier hat ein Stück traditionelles Japan überlebt: alte verzierte Holzhäuser, enge Gassen, von üppigen Blumen überwuchert. Auch hier gibt es eine Vielzahl alter Handwerksbetriebe, die aber zunehmend an den Stadtrand umziehen. Der Stadtteil droht zu vergreisen, junge Leute können sich die Mieten nicht leisten, Spekulanten machen sich breit. „Bürgerinitiativen sind bei uns nahezu unbekannt,“ sagte Toshiya Yamamoto. Kein Wunder, daß dem Übersetzer das japanische Wort für „alternativ“ nicht einfiel.

Beim Rundgang durch Ottensen erntete der zugeparkte Nernstweg, Ottensens erste verkehrsberuhigte Straße, einiges Kopfschütteln. „Wer in Japan ein Auto kauft, muß vorher einen Stellplatz nachweisen, 300 Mark pro Monat in Downtown Tokio.“ Über die „enge“ Zeißstraße konnten die Japaner nur lächeln: Für sie ist das schon ein „Boulevard“. Und das Osterkirchen“pärkchen“ schon ein Park. Was sie noch wissen wollten: wie es denn um die Nachbarschaft bestellt sei, ob die Bewohner sich auf der Straße treffen und ob sie gemeinsam feiern?

Ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Ottensen“ und eine Brosche mit einem frischgehämmerten Nagel aus der Drahtstiftefabrik nehmen die Besucher mit nach Japan. Im nächsten Mai kommen die Ottenser nach Mukojima. Gaby Werner