„Wir schämen uns nicht für die Videos“

■ Angestelltenkammer wirft Kritikerin „rechtpopulistischen Kulturbegriff“ vor

„Ich hab' gelacht“, erzählt Maria Spieker, frauenpolitische Sprecherin der Grünen von ihrer Reaktion auf die Erotik-Clips der Angestelltenkammer. Da hörte man zum Beispiel Lustgestöhn und sah ein Fenster sowie den Titel „Pariser Nächte“, berichtet sie. Doch hinter dem Fenster räumte nur ein Mann sein Zimmer auf. Am Dienstag abend hatte Brigitte Dreyer (SPD) der Angestelltenkammer auf einer öffentlichen Vollversammlung Sexismus vorgeworfen (taz vom 14.10.) Die Kammer hatte im Mai bei Bremer KünstlerInnen Videos zum Thema Erotik in Auftrag gegeben und sie zunächst in der Angestelltenkammer und dann im Offenen Kanal gezeigt.

Nachdem der Weser-Report diese Woche über die Diskussion berichtet hatte unter dem Titel „Dafür zahlen 160.000 Bremer: Nacktes aus der Kammer“, riefen laufend empörte Mitglieder bei der Angestelltenkammer an, berichtet Kammer-Geschäftsführer Fehrmann. Der verteidigt sich so: Es handele sich dabei nicht um Pornographie, sondern deren Entlarvung.

Auch Brigitte Dreyer formulierte ihre Position nochmal genauer: „Weder bin ich prüde, noch hab' ich was gegen Pornos — aber muß die Kammer mit unseren Geldern Erotik-Clips drehen? Das kann Theresa Orlowski doch viel besser.“ Sollte die Angestelltenkammer nicht mit den 150.000 Mark, die sie für die Medienarbeit im Offenen Kanal zur Verfügung gestellt habe, was ganz anderes produzieren, fragt Dreyer: statt sexistischer Videos zum Beispiel einen Film über die miesen Arbeitsverhältnisse von Vekäuferinnen?

Ziemlich sauer über den „Auftritt“ der Brigitte Dreyer ist Eberhard Fehrmann, Geschäftsführer der Angestelltenkammer. Erstmal gebe die Kammer nicht 150.000, sondern 88.000 Mark für dasOK-Projekt. Vor allem wegen Dreyers Kulturbegriff: Sie habe einen „fast schon gefährlich rechtspopulistischen Kulturbegriff, der Kultur auf 'gesundes Volksempfinden' reduziert“.

Fehrmann spricht sich vehement gegen eine Zensur im künstlerischen Bereich aus. Denn: „Wenn politische Organsisationen, wie etwa die Angestelltenkammer, ihre Auffassung von Kultur zum Maßstab machen, dann ist die Kultur kaputt. Nicht nur die Kultur, auch die Kammer. „Der Wahlkampf der DAG hat Formen angenommen, daß inzwischen die ganze Institution in Frage steht.“ Hintergrund: Die DAG hat vor etwa fünf Jahren die Mehrheit im Vorstand an den DGB verloren, und Brigitte Dreyer sitzt für die DAG im Vorstand der Kammer.

Brigitte Dreyer aber findet den Vorwurf, daß sie nur Wahlkampf machen wolle, platt. Außerdem sei Wahlkampf nichts Negatives, sondern ein legitimes demokratisches Mittel. „Die Frauenfrage liegt mir sehr nahe.“ Geschäftsführer Fehrmann nimmt ihr das allerdings nicht ab: „Wenn es ihr um die Sache gegangen wäre, hätte Sie viel früher sagen müssen, daß sie sich durch die Videos beleidigt fühlt. Die sind schließlich im Mai gezeigt worden.“

Christine Holch