Gut gemeint und flach versandet

■ Rita Mae Brown las im Café „Die Pumpe“ aus ihrem neuen Buch „Venusneid“

Das Schärfste waren wie immer die Fragen zwischen Lesung und Autogramm-Defilee. In Amerika brauche es zu einem Interview nicht mehr als zwei Gehirnzellen, hatte Rita Mae Brown während ihres Vortrags auf der Frankfurter Buchmesse erklärt. Daß es in Deutschland eine mehr ist, schützt einen nicht davor, sich vor nationaler Scham in seinen Sitz zu krümmen: Ob sie auf ihrer Farm alleine lebe (nein, mit Freundin), wann und wo sie entdeckte, daß sie lesbisch sei (mit 15, in Florida), mit welcher Figur in ihrem Roman sie sich am stärksten identifiziere (mit Tante Ruru). Als frau schließlich wissen wollte, wie es einer als Lesbe in Virginia denn so ergehe, brachte Frau Brown ein Phänomen auf den Punkt, das hierzulande schon bei Fußballvereinen mit afrikanischer Beteiligung zu beobachten ist: She may be a son of a bitch, but she's our son of a bitch.

Immerhin weiß man ja von Schule und Uni, daß nicht immer die mit den elaboriertesten Fragen und Antworten mit dem Finger schnipsen, und so blieb die Autorin geduldig und guter Laune, zumal sich vor ihr ein Glas Coke und gut 350 Zuschauer befanden. Kein Zufall, daß das Auditorium in der „Pumpe“ zu neunzig Prozent aus Frauen bestand, gilt die Dame mit dem stets kantig-dynamisch hochgestellten Blusenkragen doch als Ikone der amerikanischen Frauen- und Lesbenbewegung. Daß sie ihrer Sache weiterhin verbunden ist, unterstrich ihr engagiertes Schlußplädoyer, in dem sie ihre GenossInnen dazu aufrief, offen und selbstbewußt mit ihrer Homosexualität umzugehen. Wäre Michelangelo ein Hetero gewesen, so Brown, man hätte die Sixtinische Kapelle mit einer weißen Rolle ausgemalt.

Aber jenseits aller Solidaritätsbekundungen stand an diesem Abend etwas anderes im Vordergrund, Rita Mae Browns neues Buch „Venusneid“ („Venus Envy“). Zehn Jahre nach „Die Tennisspielerin“ („Sudden Death“), ihrer Reaktion auf die Trennung von Martina Navratilova, hat Brown wieder einen Lesbenroman geschrieben, den auch der Lambda Book Report, Postille für schwule und lesbische Literatur in den USA, als gut gemeint und flach versandet apostrophiert.

Rita Mae Brown arbeitet unter anderem als Drehbuchautorin, und auf sofortige Verfilmung hin scheint auch „Venusneid“ angelegt. Hätte sich Sue Ellen je als Lesbe geoutet, diese Geschichte um das Coming-out der Frazier Armstrong und den dadurch ausgelösten Stadtklatsch enthielte alle Ingredienzen für drei bis vier Dallas-Folgen. Wie auf Southfork sind auch in Charlottesville alle Menschen reich und schön, die Guten sind die Guten, die Bösen die Bösen, und dazwischen stehen die qua Alkohol und Neid labilen Guten und labilen Bösen. Nach 400 dialoglastigen Seiten hat Frazier vorerst alle gesellschaftlichen Anfeindungen überwunden und „Big Daddy“ sich endlich mit ihrem versoffenem Bruder versöhnt, um vereint noch mehr Millionen aus dem familiären Fahrzeug- und Maschinenpark zu scheffeln.

Alles weitere sehen wir uns dann, demnächst, im Fernsehen an. Bernd Imgrund

Rita Mae Brown: „Venusneid“. Rowohlt Verlag, 36 DM