Grenzübertritte in der Mark

■ Brandenburgs Neugründungen wollen fachliche und Sprachbarrieren überwinden

Die Wiedervereinigung hat dem Land Brandenburg drei Universitätsneugründungen beschert: die Technische Universität in Cottbus, die „Europa-Universität Viadrina“ Frankfurt/Oder und die Potsdamer Uni. Noch 1991 gab es keine einzige Universität für die 2,5 Millionen BrandenburgerInnen. Gut zwei Jahre nach ihrer Gründung werben die Neu-Unis nun mit einem besseren Betreuungsverhältnis zwischen StudentInnen und Professoren – auch wenn erst ein Drittel aller neu ausgeschriebenen Professuren besetzt sind. Die Technische Universität Cottbus ist die erste Neugründung einer TU im Raum Berlin-Brandenburg seit 1879. Cottbus wurde aus wirtschaftspolitischen Erwägungen gewählt: Die TU sollte Investoren in die Niederlausitz im Süden Brandenburgs locken.

Interessant machen die Uni mit derzeit 2.500 Eingeschriebenen die „fächerübergreifenden“ Studiengänge Physik, Mathematik oder Maschinenbau. Jeder Student der Ingenieurswissenschaft muß in seinen Stundenplan sozial- und geisteswissenschaftliche Fächer wie Technikgeschichte und Industriesoziologie mit einplanen. Nicht mehr zeitgemäß sei eine Ingenieurstudium, meint dazu Helga Thomas, Mitglied im Gründungssenat der TU Cottbus, in dem es nur um die Maschine geht: „Ein Ingenieur muß sich heute im interkulturellen Bereich auskennen, er muß betriebswirtschaftliche Kenntnisse haben, er muß kapieren, daß Maschinen soziale Systeme verändern können.“

Auch soziale Systeme kapieren

Damit Natur- und Geisteswissenschaften sich wirklich ergänzen, hat der Wissenschaftsrat empfohlen, die Fakultät „Philosophie und Sozialwissenschaft“ aufzulösen. Statt dessen sollen die Institute für Technikgeschichte, Interkulturalität oder Arbeitsorganisation in einem „Zentrum für Technik und Gesellschaft“ zusammengeschlossen werden. Viele StudentInnen aus dem Westen hat das Cottbusser Konzept überzeugt. Mehr als die Hälfte stammt aus den alten Bundesländern, soviel wie an keiner anderen Universität in Brandenburg.

Auch an der Europäischen Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder können Studierende vom Gründungsbonus der Universität profitieren. Was westdeutsche Hochschulen mühsam herbeireformieren müssen, berücksichtigten die Gründer der „Begegnungsuniversität“ von vornherein: Mehrsprachigkeit sowie der Blick über die nationalstaatlichen Grenzen des studierten Faches. JurastudentInnen beschäftigen sich obligatorisch mit Internationalem Privatrecht, Volkswirte thematisieren die wirtschaftlichen Probleme in Frankreich und Italien. Egal, welches Fach, eine Fremdsprache muß belegt werden.

Mindestens drei Fremdsprachen sind für den Diplomstudiengang „Kulturwissenschaften“ nötig, der ab dem Wintersemester angeboten wird. Ein Auslandsaufenthalt muß ebenfalls eingeplant werden. Den Anspruch, eine internationale Universität zu sein, erfüllt die Viadrina allerdings nur teilweise. Gerade acht Prozent der ProfessorInnen kommen aus dem Ausland; bei den StudentInnen sind es immerhin vier von zehn. Das kann sich jedoch schnell ändern. Inzwischen bestehen Kooperationsvereinbarungen mit Universitäten in Polen, Frankreich, Belgien und England. Ergänzt wird das Studienangebot durch das „Collegium Polonicum“, ein polnisch-deutsches Institut in Slubice. Von polnischer Seite finanziert, ist es vor allem für Studenten gedacht, die sich auf Polen oder das übrige Osteuropa spezialisieren wollen.

Eine im Vergleich zu Berlin kleine, aber feine Hochschule will seit 1991 die Universität Potsdam sein; 15.000 sollen hier höchstens studieren. Massenfächer wie Medizin, Pharmazie oder Theologie bieten die Potsdamer gar nicht an. Die Universität will sich besonders um die Querverbindungen zwischen den Fächergruppen bemühen. „Interdisziplinarität“ heißt das Stichwort. Zehn „Interdisziplinäre Zentren“ sollen das Netzwerk für unterschiedliche Fachdisziplinen sein. Dazu gehören das bereits gegründete Kommunalwissenschaftliche Institut oder ein Zentrum für Kindheits-, Familien- und Jugendforschung. Aber auch die Potsdamer Uni ist noch im Aufbau. So werden für die Fächer Informatik und Biologie zur Zeit keine neuen Studenten immatrikuliert. In Klassischer Philologie, Kunstgeschichte und Mineralogie sind noch keine Berufungen ausgesprochen. Auch hier gilt noch: In zwei Jahren lassen sich Universitäten nicht aus dem märkischen Sand stampfen. Rüdiger Soldt