■ Press-Schlag
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Losgelegt hat er wie ein Weltmeister, unser Garri, und dem Nigel Short die Figuren um die Ohren gehauen. Nach vier Partien waren es drei, nach neun fünf Punkte Vorsprung. Es sah so aus, als ob wir die Berichterstattung nach 16 von 24 angesetzten Partien einstellen können. Doch seit der zehnten Partie scheint es Garri nicht mehr so eilig zu haben, seinen 12. Punkt zu kassieren und den Titel zu verteidigen, den er sich im Frühjahr selbst ausgedacht hat: professioneller Schachweltmeister. Morgen dümpelt das Match bereits in die 19. Runde, endlich soll das Dutzend voll werden. Am Samstag hat Garri Kasparow seinem Gegner mit Schwarz ganz profiweltmeisterlich einen halben Punkt abgeklammert – 11,5:6,5. Mit Weiß sollte er wenigstens ein weiteres Remis schaffen.

Die Times, der Titelsponsor des Londoner Schaukampfes, hat sich allerdings eine Klausel ausgedacht, die unserem Titelhalter gar nicht schmecken will. Die 24 Partien sollen in jedem Fall ausgespielt werden. Dies sei eine WM und kein Schaukampf, schimpfte Garri am Samstag. Spätestens nach 12,5 Punkten sei die Siegerehrung fällig. Bestenfalls mit Schnellpartien könne er sich anfreunden, denn die wisse auch das Publikum zu schätzen. Doch sein hochbezahlter Trainingspartner scheint an den für ihn kostenlosen Schachlektionen des Weltbesten Gefallen gefunden zu haben. Nigel Short will weiter lange Partien spielen. Vielleicht kann er gegen einen gänzlich unmotivierten Champion dann ja ein zweites Mal gewinnen.

Seit Samstag weiß es in London jeder: Die Times steht hinter Short, die Marketingfirma zieht die weltmeisterliche Lösung vor. Ach, Garri, warum kannst Du nur den Mund nicht halten. Letzlich hast Du so über die Organisatoren in Kroningen geschimpft, daß alle glauben mußten, das Qualifikationsturnier in dem Du Deinen Trainingspartner für 1995 ermitteln läßt, sei geplatzt. Nun habt Ihr Euch doch noch geeinigt, der Chip-Produzent Intel ist Euer Sponsor, und jeder weiß, daß Ihr den Namen vorerst nicht nennen könnt, weil jenes Torry- Kampfblatt – wie hieß es doch gleich? – bis zum Ende des Matches Euer einziger Sponsor ist.

In Sachen Geheimdiplomatie, lieber Garri, kannst Du von den Schachfunktionären der Fide noch einiges lernen. Nach drei Wochen Zwangspause wegen plötzlicher Sponsorenschwindsucht haben Anatoli Karpow und Jan Timann gestern in Jakarta die 13. Partie ihrer offiziellen Schach-WM (Spiel um den dritten Platz) ausgetragen. Woher Fide-Boss Campomanes die Mindestbörse nimmt, ist immer noch unklar. Nach Abzug des für die Funktionärskassen vorgesehenen Beitrages sind 800.000 Schweizer Franken aufzubringen. Und 300.000 kämen von der Fide, sagte Camponanes. Eine halbe Million stammt offenbar aus dem Nichts. Stefan Löffler