Ostfunk im Westscharnier

■ Deutschlandradio: Drei Jahre Dissens und Zähneknirschen statt "Integration"

Auch im Hörfunk wächst nur schwer zusammen, was angeblich zusammengehört. So ziehen sich nun schon seit drei Jahren die Bemühungen um eine Fusion der Bundesrundfunkanstalt Deutschlandfunk (DLF) in Köln, des Ex- US-Besatzungssenders Rias und des früheren DDR-Radios Deutschlandsenders Kultur (DS- Kultur) in Berlin hin. Aus ihnen sollen zwei bundesweite Radioprogramme mit identischen Programminhalten, Informationen und Kultur geformt werden.

Die neue öffentlich-rechtliche Körperschaft namens „Deutschlandradio“ wird von ZDF und ARD gemeinsam getragen. Dabei soll der nationale Hörfunk 792 Beschäftigte von DLF und Rias übernehmen, während der Auslandssender Deutsche Welle 484 Stellen übernimmt, bei DS-Kultur arbeiten derzeit 186 Menschen.

Die Konflikte zwischen Bund und Ländern sowie unter den Sendern führten dazu, daß der bereits zum 1. Januar 1993 geplante Start der neuen Rundfunkanstalt auf den ersten Juli verschoben werden mußte. Aber auch dieser konnte nicht eingehalten werden, jetzt soll es am 1. Januar 1994 losgehen. Bis dahin müssen die 16 Landesparlamente den entsprechenden Staatsvertrag ratifiziert haben, so Hans- Dieter Drewitz, Medienreferent der rheinland-pfälzischen Landesregierung, solange senden die drei Hörfunkprogramme in ihren Sendegebieten wie bisher weiter.

Bei der Frequenzvergabe bestehen die Länder Sachsen und Thüringen jedoch darauf, daß sich diese an der „bisherigen Hörerbindung“ und den bisherigen „Einschaltquoten“ orientieren solle. Ziel ist dabei, zuerst nur eines der beiden Programme in ihren Ländern zu verbreiten. Die CDU- Fraktion in Sachsen plädierte grundsätzlich nur für ein Gesamtprogramm. Die neuen Länder wollen ihre knappen UKW-Frequenzen lieber für kommerzielle Veranstalter. Doch auch die Frequenzsuche in den Altländern gestaltet sich äußerst schwierig.

Der Konflikt der Länder mit Bonn konnte erst im Mai beigelegt werden. Einerseits ging es darum, wem die Sendeanlagen gehören sollen – der Post oder dem Deutschlandradio, das sich durchsetzen konnte. Das spart 60 Millionen Mark Mieteinnahmen im Jahr. Andererseits forderte Finanzminister Waigel einen Finanzausgleich, da Bonn aufgrund der sich hinziehenden Verhandlungen die Sender weiter aus dem Etat finanzierte, obwohl schon seit mehr als einem Jahr 75 Pfennig der Rundfunkgebühr für das Deutschlandradio erhoben werden. Nun soll Bonn 155 Millionen aus den in diesem Jahr anfallenden 300 Millionen Mark Rundfunkgebühren bekommen.

Vor allem aber streiten die DLF, Rias und DS-Kultur um das zukünftige Programmprofil. Eigentlich sollten die Sender zu einem „Integrationsprogramm“ zusammenwachsen, doch derzeit setzt sich allein der Deutschlandfunk mit seinen Vorstellungen durch. Der DLF wird ohne große Veränderungen sein informationsorientiertes Programm mit kulturellem Schwerpunkt am Abend aus Köln senden und wöchentlich nur acht Stunden Programm aus Berlin abnehmen.

Der Konflikt zwischen Rias und DS-Kultur schwelt derweil weiter, da diese unterschiedliche Konzepte verfolgen. Der Ex-US-Sender möchte eher ein magazinorientiertes und durchhörbares Programm anbieten, populärer gestaltet als das des DLF. Die Ost- KollegInnen vom DS-Kultur aus dem Ostteil der Stadt wollen hingegen ein Programm, bei dem die HörerInnen gezielt Sendungen einschalten; auch tagsüber soll es anspruchsvolle Kultursendungen und Klassik geben. Zu hörerintensiven Zeiten, morgens, mittags und abends, will man den Wünschen des Rias entgegenkommen. Die Verhandlungen der Programmchefs von Rias und DS-Kultur im September führten dazu, daß das Programm am Vormittag bis 14 Uhr nun ein „Fließprogramm“ werden soll. Am Nachmittag und Abend wird es dann, wie von DS- Kultur gewünscht, anspruchsvoller weitergehen. Aber auch dieser „Kompromiß“ steht auf wackeligen Beinen, nachdem der Rias sein Programm mittlerweile musikalisch an deutschen Schlagern orientieren möchte. Dies weckte den Widerspruch der DS-Kultur-Programmchefin Monika Künzel: Man habe bereits die Scharnierlösung um 14 Uhr nur „mit Zähneknirschen“ akzeptiert, zwei völlig verschiedene Programmteile lehnt sie ab.

Für den Kontrahenten, Rias-Intendant Helmut Drück, ist der grundsätzliche Ansatz des Deutschlandradios, aus drei Programmen zwei zu machen, mittlerweile nur noch partiell realisierbar. Letztlich werde alles wohl auf der politischen Ebene entschieden, so der Vorsitzende des Gründungsausschusses, Karl-Heinz Klär, Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei. Er sieht den Kompromiß in einem Morgenprogramm, das „nicht zu klassisch“ werden dürfe. Letztlich wolle man sich Ende Oktober einigen.

Vereinigungs-Business as usual, die Westler haben ihre Schäfchen ins Trockene gebracht: Der DLF bleibt letztlich, wie er ist, und der Rias setzt sich wahrscheinlich gegen DS-Kultur durch. Statt nach dem Fall der Mauer die drei Sender als Relikte des Kalten Krieges völlig aufzulösen und in die ARD einzugliedern, wurde blumig ein „Integrationsfunk“ angekündigt. Schon jetzt ist absehbar, daß es nicht lange zwei nationale Programme geben wird – allein schon der Mangel an UKW-Frequenzen dürfte Wirkung zeigen.

Richtig glücklich ist nur das ZDF. Den Mainzern ist es gelungen, endlich ein Standbein im Hörfunk zu ergattern. Philippe Ressing