taz-Serie: Rot-Grün – (K)eine Perspektive für Hamburg?
: Voscheraus Devise: „Immer mit der Politik...“

■ Robert Vogel, Ex-Landeschef der FDP: Rudolf Scharping wird's schon richten

Es grenzt schon an Komik, daß ausgerechnet Schulden-Bürgermeister Voscherau solide Finanzpolitik zur Bedingung für Rot-Grün machen will. Ausgerechnet Henning Voscherau, der mit seiner Allein-Regierung in den vergangenen zwei Jahren absolut nichts anzufangen wußte, sorgt sich jetzt um Hamburgs Unternehmen. Plötzlich hat der Senatschef ein Herz fürs Kapital, das er bislang stets mit Gewerbesteuererhöhungen, diversen Gebührenanhebungen und einer städtischen Bürokratie in Reichswehr-Stärke traktierte (es sind sogar rund 120.000 öffentlich Bedienstete).

Vorbildliche Schützenhilfe im Kampf gegen die GALier leistet dabei der Mann, der Hamburg schon vor der großen Flut bewahrte und das historische Vorbild dafür liefert, wie Sozialdemokraten die Witterung in der eigenen Partei verlieren. Helmut Schmidt, so muß befürchtet werden, wird im Falle von Rot-Grün mit der „Zeit“ nach Detroit umziehen.

Eine Politik gegen Voscherau wird es mit dem Wahlhelfer Schmidt jedenfalls nicht geben. Kein Anlaß zur Sorge, denn Voscheraus Devise lautet: Immer mit der Politik. Sogar sein Herzensanliegen, die Räumung der Hafenstraße, will der Bürgermeister neuerdings einer demokratischen Entscheidung der Bürgerschaft vorbehalten. Essentials hin, Essentials her – des Pudels Kern heißt Voscherau, und diesem Selbstzweck kommen die Hilflosigkeit der Hamburger SPD und der bevorstehende Wahlmarathon zugute.

Das Problem an Rot-Grün sind nämlich nicht die umweltfreundlichen Aspekte, sondern der Links-Ruck, der damit verbunden bei der SPD vonstatten geht. Denn die GALier sind weit weniger Realos als man gemeinhin denkt. Schon die Nr. 3 der grünen Liste war noch zum Zeitpunkt des Mauerfalls im November '89 aktive DKP-Funktionärin. Politik, die man auch mit der PDS machen könnte, können sich die Sozialdemokraten aber mit Blick auf die Bundestagswahl absolut nicht leisten.

Die Bundes-SPD strebt anscheinend um jeden Preis eine große Koalition in Bonn an, und Scharping wird schon darauf achten, daß die Sozis an der Elbe ihm dabei nicht aus dem Ruder laufen. Voscherau braucht der SPD-Chef bei diesem Manöver nicht einmal anzutelefonieren. Seitdem er seine Mehrheit in den eigenen Reihen verloren hat, kommt es auf den Bürgermeister für die Kursdurchsetzung nicht mehr an. Genausowenig wie auf die Grünen, die lediglich an der SPD-Herrschaft teilhaben wollen. Würden die GALier tatsächlich für eine neue, alternative Politik einstehen, müßten sie die oppositionelle Mehrheit in der Bürgerschaft gegen die 40 Jahre roten Filz mobilisieren und die Sozialdemokraten aus dem Senat jagen. Der Marsch durch die Instanzen führt aber offenbar auf dem kürzesten Weg zu einer Senator/Innen-Pension.