: Müll vermeiden statt verbrennen
■ Abfallforum: Diskussion um dezentrale Müllverwertung / Bezirke sind gegen neue Verbrennungsanlagen / Senat fehlt stimmiges Vermeidungskonzept
Gegen neue Müllverbrennungsanlagen in der Stadt gibt es bei den betroffenen Bezirken nach wie vor starke Vorbehalte. Die Bezirke wollen dem Bau zusätzlicher Verbrennungsanlagen – wenn überhaupt – nur dann zustimmen, wenn der Senat ein in sich stimmiges Konzept zur Abfallvermeidung vorlegt.
Das jedenfalls ist das Fazit einer Diskussion, die auf dem dritten von der „Prognos AG“ organisierten Abfallforum in Pankow stattfand. Mit den Foren, von denen das vierte und letzte Anfang Dezember stattfinden soll, will der Senat den Bezirken ermöglichen, ihre Anregungen und Bedenken bei der Suche nach Abfallverwertungsstandorten vorzutragen.
Bei dem Pankower Erörterungstermin Mitte dieser Woche rügten vorneweg die Stadträte der Fraktion Bündnis 90/Grüne die ihrer Meinung nach mangelnden Müllvermeidungsstrategien des Senats. Bezirksstadträte anderer Parteien schlossen sich der Kritik an. Nach den bisherigen Planungen der Senatsumweltverwaltung wird das jährliche Hausmüllaufkommen von derzeit rund 2,7 Millionen Tonnen pro Jahr bis zur Jahrtausendwende durch das Grüne-Punkt-System und Maßnahmen wie etwa die Biomüll-Erfassung auf 1,2 bis 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert. Diese verbleibende Müllmenge müßte verbrannt werden.
Statt rund der Hälfte könnten sogar bis zu siebzig Prozent des Hausmülls reduziert werden, kritisierte der Steglitzer Stadtrat für Umwelt und Wirtschaft, Udo Bensel (Bündnis 90/Grüne), auf dem Forum. Bensel hält es für möglich, die Abfälle allein von Gewerbebetrieben pro Jahr zusätzlich um 60.000 bis 80.000 Tonnen mittels Mehrwegsystem und dem Wegfall von Verpackungen zu reduzieren.
Angesichts der Konzentration des Senats auf das umstrittene Duale System seien Zweifel angebracht, ob selbst eine Verminderung des Abfalls um die Hälfte erreicht werde, sagte Bensel gegenüber der taz. Durch die absehbare Nichteinhaltung der angepeilten Vermeidungsquoten im Dualen System entstehe möglicherweise sogar die doppelte Menge Abfall als vorgesehen.
Der Grünen-Stadtrat forderte vom Senat, die Müllentsorgungsanlagen so gering wie möglich zu dimensionieren. Gleichzeitig soll der Senat im Landesabfallgesetz Vermeidungsquoten verbindlich festlegen. Bensel zufolge scheut die Umweltverwaltung nur deshalb vor der Quotierung zurück, weil das Gesetz dann, weil nicht mehr kostenneutral, von den anderen beteiligten Senatsverwaltungen nicht mitgezeichnet würde.
Die Instrumentarien zur zusätzlichen Müllvermeidung seien „ausgesprochen gering“, meinte demgegenüber der zuständige Umweltabteilungsleiter Wolfgang Bergfelder. Bergfelder zufolge sind jetzt nur noch vier Standorte für Verbrennungsanlagen übriggeblieben, und zwar an der Gradestraße in Britz, am Kraftwerk Klingenberg, an der Marzahner Straße in Marzahn sowie in Pankow- Nord/Lindenhof. Wegen dem zu geringen Abstand zur nächsten Wohnbebauung sei ein Gelände am Kraftwerk Lichtenberg, auf dem sich bereits einmal eine inzwischen stillgelegte Verbrennungsanlage befand, aus der Vorauswahl ausgeschieden.
Um den Müllawinen Herr zu werden, plant die Stadtreinigung auch, die Jahreskapazität der Ruhlebener Anlage von momentan 360.000 auf 520.000 Tonnen zu erhöhen. Wann eine neue Wirbelschicht-Verbrennung realisiert werden kann, ist derzeit allerdings nach Auskunft der Stadtreinigung aufgrund technischer Probleme noch ungewiß. Dagegen ist schon im Frühjahr des kommenden Jahres die Montage eines neuen, achten Kessels vorgesehen.
Laut Bergfelder sind sich Umweltverwaltung und Bezirke trotz des Streits um die Verbrennung grundsätzlich einig, daß die städtischen Müllmengen in kleineren, dezentralen Anlagen entsorgt werden sollten. Ursprüngliche Überlegungen, der Verbrennungsanlage in Ruhleben eine noch größere am Kraftwerk Klingenberg hinzuzugesellen und die Stadt in nur zwei große Entsorgungsgebiete aufzuteilen, seien vom Tisch. Thema des nächsten Abfallforums sollen nun die Emissionen sein, die beim unvermeidlichen Lastwagenverkehr zu den dezentralen Abfallverwertungsanlagen entstehen.
Es ist geplant, auf insgesamt sechzig Teilflächen in sechzehn Bezirken Verwertungs- und Recyclinganlagen zu errichten. Über die Anlagenstandorte sei mittlerweile mit den meisten Bezirken Einvernehmen erzielt, heißt es bei der „Prognos“. „Prognos“-Mitarbeiter Guido Grosser: „Selbst im Bezirk Spandau, der schon reichlich mit Abfallentsorgungsanlagen belastet ist, gibt es noch eine Fläche, die für abfallwirtschaftliche Zwecke in Anspruch genommen werden kann.“ Man habe den Bezirken klargemacht, daß es sich bei dem Großteil der Anlagen nur um „normale Gewerbebetriebe“ handele. Grosser: „Sowohl von den Emissionen als auch von der Lärm- und Staubbelastung her unterscheidet sich ein Autodemontagebetrieb nicht groß von einer Autowerkstatt.“ Thomas Knauf
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