Vlaams Blok auf Missionskurs

■ Flämische Rechtsextremisten spinnen ein europaweites Netzwerk

Spätestens seit dem 20. September ist die rechtsextreme flämische Partei Vlaams Blok dem deutschen Fernsehpublikum ein Begriff. Bei den Dreharbeiten zu einer Reportage des ZDF-Auslandsjournals über die bundesstaatliche Zukunft Belgiens nach dem Tod von König Balduin war es in der flämischen Kleinstadt Ronse zu einem brutalen Zwischenfall gekommen. Ein Kamerateam wurde während einer Kundgebung der Vlaams-Blok-Jugendorganisation gegen Asylbewerber zusammengeschlagen. Obwohl sich die Parteileitung von dem Zwischenfall sofort distanzierte und jede Verantwortung dafür ablehnte, stellte sich heraus, daß der Schläger kein anderer als Patrick Spinnewyn war. Spinnewyn gilt als Vlaams- Blok-Mitglied der ersten Stunde, mit deutlich neonazistischem Hintergrund. Er, seine Brüder und sein Vater unterstützten in den 70er Jahren die wegen terroristischer Aktivitäten verbotene Schlägertruppe Vlaamse Militante Orde.

Aus der recht diffusen Szene alt- und neonazistischer, ausländerfeindlicher und militant nationalistischer Gruppen entstand 1977 die Partei Vlaams Blok, deren Programm sich auf die Devise „Das eigene Volk zuerst“ reduzieren läßt. Erste staatliche Erfolge erzielte die Partei mit ausgesprochen ausländerfeindlichen Parolen bei den Kommunal- und Europawahlen von 1987 und 1989. Den Durchbruch schaffte sie am 24. November 1991 bei den letzten Wahlen für das belgische Bundesparlament mit einer Kampagne, die auf riesigen Werbewänden nur einen Boxhandschuh zeigte. Im belgischen Bundesland Flandern überzeugte sie damit fast zehn Prozent der WählerInnen und konnte so die Anzahl ihrer Parlamentarier versechsfachen. Im kommenden Jahr stehen wieder Kommunal- und Europawahlen auf dem Programm, und Wahlforscher gehen inzwischen in Flandern von einem rechtsextremistischen Wählerpotential von 15 Prozent aus. Nicht für unmöglich gehalten wird, daß der Vlaams Blok ins nächste Antwerpener Stadtparlament mit dreißig Prozent der Stimmen als stärkste Fraktion eintreten wird.

Vlaams Blok hat also deutlich Auftrieb und nutzt diesen Erfolgskurs zielbewußt zur Vernetzung der rechtsextremistischen Politszene Europas. 1982 wurde in einer Wohnung der Familie Spinnewyn der deutsche Neonazi Paul Leroy aus der Wehrsportgruppe Hoffmann verhaftet. Leroy war dort nach seiner Verurteilung in Deutschland untergetaucht. Seit Juli 1989 bilden Vlaams Blok, deutsche Reps und die französische Front National im Europaparlament eine gemeinsame, siebzehnköpfige Fraktion, was ihnen erhebliche Geldmittel und personelle Vorteile sicherte. Ganz besonders gut können es führende Vlaams-Blok-Mitglieder übrigens mit der Deutschen Volksunion unter Gerhard Frey. In dessen Blatt Deutsche Nationalzeitung ist regelmäßig zu lesen: „Flämischer Block zu Gast bei DVU-Versammlungen“. 1991 erklärte Philippe Dewinter, der wohl extremste Kopf der Partei, die Kontakte mit den verschiedenen gleichgesinnten Parteien Europas seien inzwischen institutionalisiert. Vlaams Blok konnte sich seit 1990 sogar „Entwicklungshilfe“ für die rechtsextremen Parteien der Niederlande leisten. Folge dieser Schützenhilfe war, daß im September die insgesamt vier rechtsextremen Parteien der Niederlande zu einer schlagkräftigen Organisation nach Vlaams-Blok-Vorbild ummodelliert wurden. Folge: Auf Einladung der Vlaams-Blok-Jugendorganisation organisierte Douwe van der Bos, der niederländische und rechte Mitgründer des „Niederländischen Freiwilligenpeletons für Kroatien“, Mitte letzten Jahres einen Info-Abend in Antwerpen. Diese Organisation wirbt Söldner, die an der Seite Zagrebs gegen Serbien kämpfen. An der Versammlung beteiligte sich ebenfalls ein Vertreter der kroatischen Regierung. Natürlich wurde nach der Veranstaltung ausdrücklich dementiert, daß geplant sei, flämische Faschisten in Ex-Jugoslawien erste „Fronterfahrung“ sammeln zu lassen. Klaus Haas, Brüssel