Unterm Strich

Der Streit um die Neue Wache in Berlin wird weitergehen – auch nach ihrer Einweihung am 14. November als Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik. Das war der Tenor einer Veranstaltung des Instituts für Geschichtswissenschaften an der Berliner Humboldt-Universität am Sonnabend. Der Bielefelder Historiker Reinhart Koselleck forderte erneut, einen Wettbewerb für die Neugestaltung der Gedenkstätte auszuschreiben. Außerdem plädierte er für ein Denkmal, „das jede Inschrift erübrigt“. In einer deutschen Gedenkstätte muß seiner Ansicht nach auch der „Riß durch unsere Erinnerung“ an die SS-Täter und die ermordeten Völker als Widerspruch thematisiert werden. Die Käthe-Kollwitz-Plastik sei „eine private Meditationsplastik“ über die Trauer um einen als Kriegsfreiwilligen gefallenen Sohn im Ersten Weltkrieg, die nicht „die verschwundenen Frauen und die Juden, die vergast, verbrannt, in Asche aufgelöst wurden“, repräsentiere. Zudem sei die Pieta ein christliches Symbol. Für den Publizisten Friedrich Dieckmann hat die Bezeichnung „Zentrale Gedenkstätte“ eine „fatale Ähnlichkeit mit der DDR-Terminologie“. Unterdessen hat Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, seine Teilnahme an den Einweihungsfeierlichkeiten zugesagt. Mit der jetzt im Innenraum vorgesehenen Tafel, die die einzelnen Opfergruppen des NS-Regimes nennt, könnten die Jüdischen Gemeinden leben.

Aua! Der Stadt Frankfurt/Main steht im Kulturbereich eine Radikalkur bevor. Satte 47 Millionen, rund 10 Prozent des Kulturetats, werden 1994 gestrichen. Kulturdezernentin Linda Reisch verkündete mit säuerlichem Gesicht, sie könne sich damit gerade „noch arrangieren“, weil dadurch die Schließung eines großen Hauses habe verhindert werden können. Die Museen sollen künftig alle Mittel für ihre Ausstellungen selbst erwirtschaften.

Apropos Ausstellungen: In Washington ist bis zum 9. Januar die größte öffentliche Sammlung von Arbeiten Willem de Koonings zu sehen. Das Hirshorn-Museum besitzt etwa 50 der wichtigsten Ölbilder, Zeichnungen und Skulpturen. Nebenan in New York zeigt das Guggenheim-Museum eine Roy-Lichtenstein- Retrospektive. Lichtenstein, wichtigster Vertreter der Pop-art, „eine Art der Ironie zum Kapitalismus“, wird am 27. Oktober 70 Jahre alt. Und in Paris ist eine erste gemeinsam von Europäern und Afrikanern veranstaltete Ausstellung zum Schutz des Kulturerbes afrikanischer Staaten zu sehen. Unter dem Titel „Vallées du Niger“ (Täler des Niger) zeigt das Musée National des Arts d'Afrique et d'Océanie bis zum 10. Januar über 200 Kunstwerke. Plünderungen von Kulturgütern werden mit einem einfachen Mittel signalisiert: Nach Raubzügen beschlagnahmte Objekte werden in Glasvitrinen auf schwarzem Holz präsentiert, genehmigte Ausgrabungen sind auf Sand gebettet.