Bilderstreit etc.
: Stillgestanden! Farbrolle bei Fuß!

■ Fettnapfige Bürokraten kämpfen gegen antifaschistische Bunkerkunst in Köln

„Straßenschlacht in Köln“, titelte das Nazi-Blatt Westdeutscher Beobachter am 4. März 1933. Und: „Das rote Mordsgesindel schoß von den Dächern. Der Flaschenwurf als Schnellfeuersignal.“ Was war geschehen?

Einen Monat nach der Machtübernahme im Reichstag glaubten die Naziorganisationen auch die Herrschaft über die Straße gewonnen zu haben. In der Kölner Südstadt versammeln sich am 3. März etwa 400 Männer der SA zum Fackelzug. Als er in die Elsaßstraße einbiegt – damals Hochburg der Arbeiterbewegung –, wird er bereits erwartet. Wurfgeschosse gehen auf die SA- Leute nieder, die „roten Meuchelmörder“ feuern aus den Fenstern mit allem, was im Haushalt nicht niet- und nagelfest ist, vom Einmachglas bis zum Blumentopf. SA und der begleitende Polizeipulk stieben panisch auseinander und eröffnen das Feuer auf die Hausfassaden. Die Rache der Nazis ist gründlich: Einem verletzten SA-Mann stehen 70 Verhaftungen von Anwohnern gegenüber, von denen einige erst 1937 wieder freikommen.

57 Jahre später: Von der NS- Herrschaft zeugt in der Elsaßstraße nur noch ein riesiger oberirdischer Bunker. Im August 1990 versieht der in Köln und Umgebung als „Sprayer von Aachen“ bekannte Künstler Klaus Paier die triste Bunkerwand im Rahmen eines SPD-Straßenfestes mit einem fast sieben Meter hohen Wandgemälde. Das Bild bezieht sich auf den historischen Anschlag gegen die Nazischergen: Eine aus dem Fenster lehnende Frau schmeißt Haushaltsgegenstände auf einen diagonal unter ihr stehenden, mit dem Hitlergruß salutierenden Mann, dessen kahler Schädel zugleich auf den zeitgenössischen Skinhead verweist. So entsteht ein Mahnmal, das die Stadt keinen Pfennig kostete und auf dessen Ursprung – so sollte man meinen – jede Kommune stolz sein könnte.

Nun aber tritt der Bunker-Eigentümer in Person des Bundesinnenministers auf den Plan, und es beginnt eine hochnotpeinliche Farce, wie sie wohl nie über die Bühne des Millowitsch-Theaters gehen wird. Postwendend erhält die Kölner Verwaltung vom Eigner den Auftrag zur Übermalung des Kunstwerks. Trotz Protesten wird der Befehl zwei Monate später in die Tat umgesetzt. Weitere drei Jahre darauf, inzwischen jährt sich das zur Debatte stehende Ereignis zum 60. Mal, nutzt die Initiative „Antifaschistische Südstadt“ wiederum das Gewühl eines bevölkerten Straßenfestes, um Paiers Kunstwerk originalgetreu zu rekonstruieren. Auch diesmal stehen die staatlichen Bunkerschützer Farbrolle bei Fuß und reagieren prompt, nunmehr noch rigoroser, noch geschwinder. Die Galerieräume eines in Köln ansässigen Filmteams, das ein Video von der Auferstehung des Bildes gedreht hatte, werden einer stundenlangen, erfolglosen Razzia unterzogen, und gegen einen Kölner Anstreicher und Maler, dessen Auto zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes gesichtet wurde, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Tillmann Rappard, so heißt der Mann, lag am 6. März 1993 allerdings nachweislich mit Lungenentzündung im Bett. Nur in einem Punkt ist die Verwaltung erfolgreich: das Gemälde wird aufs neue übermalt. An einem historischen Datum, dem 20. April, Hitlers Geburtstag. Geschmackssicher wie die Terminwahl auch das Urteil Jürgen Grollmischs, Vertreter des Bundes beim Bundesvermögensamt: „Das war kein Bild, sondern eine Schmiererei.“

Seit dem 23. Oktober werden in der Kölner Elsaßstraße wieder Nudelrollen gegen Nazis geworfen. Der Bunker ist zum drittenmal „beschmiert“ worden. So viel sind bekanntlich aller guten Dinge. Auch beim Bundesinnenministerium? Bernd Imgrund