Schwitzen ohne Drogen

Die „Drogenliga“ öffnet sich für neue Sportarten / Geschichte des Vereins begann 1980 auf einem Acker / Strenge Regeln für ehemalige Abhängige  ■ Von Jürgen Schulz

Auf ihrer letzten Mitgliederversammlung stellte die Drogenliga e.V. die Weichen für die Zukunft. „Deutschlands originellste Fußballiga“ – so die Süddeutsche Zeitung – nahm Abschied vom monostrukturellen Kickerdasein. Es werde nunmehr angestrebt, vermerkt das Sitzungsprotokoll, „in den Sportarten Fußball, Schach, Tischtennis, Volleyball, Kegeln und Skat geordnete Spielbetriebe im Rahmen einer Meisterschaft durchzuführen“. König Fußball ist damit zwar nicht abgesetzt, aber nur noch eine Sportart inter pares.

„Dieser Schritt war nötig“, meint Vereinsvorsitzender Franz Kuhnlein, „denn nicht jeder, der zu uns kommt, hat mit Fußball was am Hut.“ Eine Einsicht, die der Drogenliga viel Energie entzog und die Existenz der verrückten Fußballklasse im 13. (!) Lebensjahr gefährdete.

Begonnen hatte alles Anfang der achtziger Jahre. Damals entdeckten Rauschgiftsüchtige während ihres Entzugs, daß die runde Lederkugel eigentlich das einzige war, was sie noch mit früher verband. „Wir haben 1980 auf einem Acker in Lichtenrade angefangen“, erinnert sich Hans Huber (38), einer der Gründerväter: „Fußball spielen kann halt jeder.“ Aus dem verklärten Rückblick auf cleane Zeiten wurde ein Verein. Ein typisch deutsches Schicksal?

Gewiß nicht. Denn Fußball à la Drogenliga hat nicht allzuviel mit „Bundes-Bertis“ treudeutscher Fußlümmelei zu tun. Männer und Frauen dürfen bei den Drogies in einem Team spielen. Auswechselungen können unbegrenzt vorgenommen werden. Suchtmittel aller Art, dies gilt sowohl für Zuschauer als auch Aktive, sind per Vereinssatzung ebenso verboten wie Gewalt(androhung). „Das sind wir den ehemaligen Abhängigen in unseren Reihen schuldig. Denen kann man keine besoffenen Typen zumuten, die sich prügeln“, erklärt Kuhnlein, der einst selbst alle Arten von Mittelchen inhaliert hat.

Wegen der unterschiedlichen Regelinterpretation beschied der Berliner Fußball-Verband ein schüchternes Aufnahmeersuchen der Drogenliga abschlägig. „Das macht nichts“, erklärt Bernhard Zappe, der früher durch den landläufigen Fußball in der „dritten Halbzeit“ am Tresen zum Saufen kam. „Wir sind sowieso eher eine Freizeiteinrichtung als ein Sportclub.“ Als solcher hat der Verein in einigen Senatsverwaltungen und Bezirksämtern durchaus Fans an entscheidenden Stellen gefunden. Das erleichtert die Suche nach Sporthallen oder bringt ab und zu einen Siegerpokal für ein Turnier.

Mit ihrer Satzungsänderung nähern sich die Drogies wieder ihren Wurzeln. Das Leben in Berlins kleiner Vereinsliga war zwischenzeitlich durch eine regelrechte Professionalisierung und Leistungsmentalität zur Tretmühle erstarrt. Die besten Mannschaften zog es in die Freizeit- oder Betriebssportliga des Fußball-Verbandes. Acht Fußballclubs umfaßt das Spektrum der Drogenliga in der aktuellen Saison – in den besten Jahren waren es immerhin zehn bis zwölf Teams, die Champion werden wollten. Altbewährte Funktionäre wie Hans Huber traten leicht gefrustet in die zweite Reihe.

Allein der Volkssport Nummer eins bringt es nicht mehr. Franz Kuhnlein: „Eine Meisterschaftsrunde mit Pokalwettbewerb und sogar Supercup-Finale zwischen Meister und Pokalsieger – das war ein bißchen zuviel. Wir setzen jetzt mehr auf Turniere und andere Sportarten.“

Ein ermutigender Anfang ist mit der Erweiterung des Vereinszwecks gemacht: Schon 1993 stritten acht Brettkünstler um den Meisterlorbeer im Schach. Pardon: Sie wetteiferten! Schließlich ist Gewalt (wie auch Rauschgift) in der Drogenliga e.V. nach wie vor strengstens untersagt. Jürgen Schulz

Kontakt: Franz Kuhnlein, Telefon 805 50 67 oder 795 84 13.