„Keine Bastelstube“

■ Martinshof will Partner der Industrie sein

Schwerbehinderte haben kaum eine freie Wahl ihres Arbeitsplatzes. Wer keinen behindertengerechten Arbeitsplatz findet, bekommt manchmal einen Platz in einer „beschützten“ Werkstatt wie dem Martinshof in Bremen. Heute wird dort gemeinsam mit Mercedes eine Ausstellung anläßlich des 40-jährigen Bestehens des Martinshofs und der langen Zusammenarbeit mit Mercedes auf dem Gelände des Auto-Konzerns eröffnet.

Der Martinshof präsentiert erstmals sein neues Konzept, das identisch ist mit dem Namen der Ausstellung: „Der Partner für Industrie, Handel und Handwerk“. „Wir haben durch die derzeitige Wirtschaftslage gelernt, uns besser zu präsentieren als zuvor. Bisher sind wir doch nur als Bastelstube bekannt“, sagte Hannelore Stöver, Geschäftsführerin der Werkstatt Bremen. In Zukunft wollen sie den betriebswirtschaftlichen Aspekt mehr in den Vordergrund stellen. „Wir wissen, daß unsere Kunden nicht primär daran interessiert sind, daß wir sozusagen Gutes tun, sondern daß wirtermingerecht liefern.“

Zur Zeit arbeitet der Martinshof mit etwa 40 Firmen in Bremen zusammen. In der Rezession sparen die Auftragsfirmen: sie können 30 Prozent des Rechnungsbetrages auf ihre Ausgleichsabgabe anrechenen. Die Ausgleichsabgabe zahlen alle Betriebe, die keine oder zu wenig Behinderte beschäftigen. Das Schwerbehindertengesetz sieht bei über 16 Arbeitsplätzen pro Betrieb vor, daß wenigstens 6 Prozent Schwerbehinderte beschäftigt werden. Pro nichtbesetzten Platz zahlen die Firmen monatlich 200 DM Ausgleichsabgabe. Laut Statistik werden im Land Bremen statt der geforderten 6 nur 4 Prozent der Arbeitsplätze mit behinderten Menschen besetzt. „Mit insgesamt sinkender Tendenz“, sagt Jörg Henschen, Sprecher der Arbeitsbehörde.

„Das Arbeitsamt versucht zunächst, bei allen StellenanbieterInnen zu überprüfen, ob sie Schwerbehinderte einstellen könnten“, erläutert Wilfried Lüschen, Abschnittsleiter beim Arbeitsamt. Mit der Subventionierung des Lohnes und der Finanzierung des behindertengerechten Arbeitsplatzes sowie den notwendigen baulichen Veränderungen versucht das Amt die Firmen zu locken.

Die meisten ArbeitnehmerInnen der Martinshofbetriebe könnten vom Arbeitsamt aufgrund der Schwere ihrer Behinderung nicht mehr vermittelt werden. Wenn das neue Präsentationskonzept des Betriebes greift und es mehr Aufträge gibt, haben auch sie Grund zur Freude: dann würden sie vielleicht endlich mehr als 220 Mark im Monat erhalten. „Wieder richtiges Geld zu verdienen und auf eigenen Beinen zu stehen“, war zum Beispiel für die Mitglieder einer Gruppe psychich Kranker eines Wiedereingliederungs-Projekts bei Eduscho die größte Freude. Vivianne Agena