Am Wochenende rollt S-Bahn auch nachts

Die Reichsbahn verspricht ein verbessertes Angebot im S-Bahn-Netz / Kürzere Züge und weniger Personal auf Umland-Bahnhöfen sollen Kostenersparnis bringen  ■ Von Thomas Knauf

Obwohl die Belegschaft möglicherweise reduziert wird, soll aus der S-Bahn unter Regie der Reichsbahn (DR) keine Schrumpfbahn werden. Nach der Übernahme der bisher von der BVG im Westteil betriebenen Linien S 1 und S 2 zum 1. Januar verspricht die Reichsbahn den Schnellbahnkunden sogar ein verbessertes Angebot. Ab dem nächsten Fahrplanwechsel Ende Mai sollen die Züge auf den beiden Nord-Süd-Linien an den Wochenenden auch nachts rollen – auf der S 1 von Wannsee durchgehend bis zur Endstation Oranienburg, auf der S 2 zumindest bis zum Anhalter Bahnhof als Umsteigepunkt zur S 1. Bereits nach der Wiedereröffnung des Südrings zwischen Westkreuz und Neukölln im Dezember wird es dort im Stundentakt in den Nächten von Freitag zu Samstag und von Samstag zu Sonntag einen durchgehenden Zugbetrieb geben.

Wie der für die S-Bahn zuständige Abteilungsleiter der Reichsbahn, Christian Morgenroth, in einem Gespräch mit der taz ferner ankündigte, werden die Züge auf den von der BVG übernommenen Strecken künftig auch weniger Reisezeit brauchen. Mittels verkürzter Zugaufenthalte auf den Bahnsteigen sollen die Fahrgäste schneller vorankommen. Keinesfalls soll dabei am Zehn-Minuten- Takt gerüttelt werden. Um von ihrem augenblicklichen Defizit von rund 400 Millionen Mark herunterzukommen, muß die Reichsbahn andererseits kräftig sparen und rationalisieren. Das Bundesverkehrsministerium fordert, daß dazu Personalüberhänge abgebaut werden. Inzwischen gebe es daneben ein „Verbot, die Zug-Kilometer zu mehren“, sagte Morgenroth. Die zusätzlichen Nacht-Kilometer im Netz der S-Bahn müßten also woanders ausgeglichen werden, worüber es allerdings noch keine Vorstellungen gebe. Jedenfalls könne die Reichsbahn nur solche Leistungsangebote einschränken, die momentan wenig von den Kunden angenommen würden.

Einen wenn auch nicht sehr hohen Einspareffekt erhofft sich die Reichsbahn nach den Worten Morgenroths vom Einsatz kürzerer S-Bahn-Züge. Wegen fehlender Abstellkapazitäten rumpeln bislang auch auf den Außenstrecken noch ganztägig komplette Acht-Wagen-„Voll“-Züge durch die Gegend, obwohl sich die Fahrgäste insbesondere spätabends oftmals an den Fingern einer Hand abzählen lassen. Wenn Anfang Januar die neue Wagenabstellanlage in Grunewald in Betrieb genommen wird, wird es wesentlich leichter sein, S-Bahn-Wagen aus dem Verkehr zu ziehen. Man plane, die Züge im Winter prinzipiell ab 19 Uhr, im Sommer ab 20 Uhr von acht auf vier Wagen zu reduzieren. Darüber hinaus sei auch an den vermehrten Einsatz von neuen Zwei-Wagen-Zügen der Baureihe 480 auf bestimmten Strecken gedacht. 80 Doppeltriebwagen der Baureihe sollten im Laufe der nächsten Zeit ausgeliefert werden. „Kurze Züge haben auch eine erhebliche psychologische Wirkung auf den Fahrgast bei der Benutzung der S-Bahn nach 20 Uhr“, so der Abteilungsleiter zum zusätzlichen Sicherheitsaspekt. Dem Abteilungsleiter zufolge überlegt die Reichsbahn außerdem, auf weiteren, außerhalb liegenden Bahnhöfen das kostenintensive Aufsichtspersonal einzusparen. Schon heute gebe es 15 bis 20 Bahnhöfe mit nur einer Kamera-Überwachung, auf denen die Züge aus der Ferne per Funk abgefertigt würden.

Nachdem es in den ersten drei Jahren nach der Wende einen starken Rückgang gab, verzeichnet die Reichsbahn auf den derzeit betriebenen S-Bahn-Linien wieder eine steigende Zahl von Fahrgästen. Aus dem BVG-Bereich werden noch einmal 200.000 Kunden dazukommen. Angesichts der steigenden Zahl der S-Bahn-Benutzer ist aus Reichsbahn-Sicht die Inbetriebnahme weiterer Strecken um so dringlicher. Vorrang habe jetzt die Herrichtung des Nordrings von Westend weiter zur Schönhauser Allee sowie der Lückenschluß zwischen Treptow und Neukölln.