Bosnische Offensive auf Kroatenenklave Vareš

■ Tausende Kroaten fliehen / Verhandlungen in Norwegen gescheitert

Sarajevo/Oslo (dpa/taz) – Die bosnische Armee hat 30 Kilometer nördlich von Sarajevo eine Großoffensive auf die Kroatenenklave Vareš eröffnet. Die UNO berichtete am Mittwoch in Sarajevo, die Angreifer hätten den Ring um den Kessel geschlossen und stünden vier Kilometer vor den letzten Verteidigungsstellungen. Drei Dörfer seien in Brand gesteckt worden, die kroatischen Truppen hätten sich inzwischen aus der Enklave zurückgezogen.

Unklarheit herrschte über die Lage der Einwohner von Vareš. Der kroatische Rundfunk meldete, 15.000 Menschen seien in der Stadt eingeschlossen, dagegen bestritt ein Sprecher der bosnischen Kroaten die völlige Einkesselung der Stadt. Die UNO teilte mit, 15.000 Kroaten seien aus der Region geflüchtet, 10.000 von ihnen würden sich in den Wäldern verstecken, 5.000 seien in einem Steinbruch eingeschlossen. In der Stadt halten sich auch 1.500 Muslime auf.

Die Kroaten richteten unterdessen einen eindringlichen Appell an die UN-Blauhelme, die eingekesselten Zivilisten vor möglichen Übergriffen zu schützen. „Und wir wissen auch, warum“, erklärte ein UN-Sprecher. Kroatische Truppen haben erst vor zehn Tagen in dem bei Vareš gelegenen Dorf Stupni Do ein Blutbad unter der muslimischen Bevölkerung angerichtet. Dabei waren mindestens 25 Menschen ermordet worden.

Auch am Mittwoch dauerte das Rätselraten über die Bedeutung der sogenannten „Geheimverhandlungen“ zwischen Vertretern der kroatischen Regierung und der Führung der zu Kroatien gehörenden, aber von Serben kontrollierten Krajina in Norwegen an. Während die norwegische Regierung bestätigte, daß seit Montag in einem Hotel bei Lillehammer über einen Waffenstillstand verhandelt werde, bezeichnete der kroatische Geschäftsträger in Oslo die Berichte über Verhandlungen als reine „Spekulation“. Politische Beobachter vermuten, daß die Gespräche den Auftakt zu einer neuen Jugoslawien-Konferenz bilden könnten. In den vergangenen Wochen hatten die beiden Vermittler von EG und UNO, Owen und Stoltenberg, wiederholt davon gesprochen, daß es zu einer neuen großen Konferenz kommen müsse, bei der dann auch über Kosovo und die serbisch besetzten Teile Kroatiens verhandelt werden müsse.

Vor allem der frühere norwegische Außenminister Stoltenberg hatte nach den erfolgreichen israelisch-palästinensischen Verhandlungen auf die Bedeutung des Verhandlungsortes Oslo hingewiesen. Dies könnte erklären, warum die Kriegsgegner, die sich mehrmals in Genf und Städten Südosteuropas getroffen hatten, nun zum erstenmal nach Skandinavien reisten. Auch dort konnte jedoch kein Durchbruch erzielt werden.

Unterdessen hat die bosnische Führung eine Reihe von Offizieren ihrer Posten enthoben. Unter anderem wurden die Kommandeure in Mostar sowie in der zwischen muslimischen Truppen umkämpften Enklave Bihać abgelöst. Sie waren wegen des brutalen Vorgehens ihrer Truppen in die Schlagzeilen geraten. her