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Der Bahn wird der Boden entzogen

■ Bundesfinanzminister Waigel will Grundstücke verkaufen

Bonn (dpa/taz) – Der Bund will 4.000 bis 5.000 Bahngrundstücke verkaufen. Mindestens elf Milliarden Mark sollen auf diese Weise in die Kasse kommen. Dies geht aus einem Zwischenbericht des Finanzministeriums zur Verwertung nicht betriebsnotwendiger Liegenschaften der Bahnen und der Bundespost hervor, den Theo Waigel gestern vom Kabinett absegnen ließ. Die Vermarktung soll nicht den Beamten überlassen werden, sondern vorrangig von privaten Maklern übernommen werden. Die Oberaufsicht erhält eine Gesellschaft, die als Tochter-GmbH der geplanten Bundesbehörde „Bundeseisenbahnvermögen“ bis Ende Januar 1994 gegründet werden soll.

Ziel ist es, mit den Erlösen einen Beitrag zur Verringerung der auf den Bund zukommenden Kosten im Zuge der für den 1. Januar 1994 vorgesehenen Bahnreform zu leisten. Nicht nur die Schulden der Bahnen von über 50 Milliarden Mark belasten nämlich demnächst den Bundeshaushalt. Kommt die Bahnreform durch, liegen auch viele Beamte dem Finanzminister auf der Tasche, die von den geplanten AGs nicht angefordert werden. Sie sollen vom Bundeseisenbahnvermögen weiterbezahlt werden.

Wohin die Reise geht, wird daran deutlich, daß sogar als „bahnnotwendig“ geltende Gründstücke verkauft werden können, wenn sie in teuren Innenstadtbezirken liegen. Sie sollen zum Teil „freigemacht“ werden, heißt es. Die AG, die für den Schienenweg zuständig ist, soll allerdings die Chance haben, mitzuentscheiden, welche Liegenschaften verkauft werden – „solange der Verkehrswert von mindestens elf Milliarden Mark erhalten bleibt“.

Es ist absehbar, daß weitere Streckenstillegungen anstehen. Denn auch über die jetzigen Verkäufe hinaus kann es für eine rein privatwirtschaftlich kalkulierende Schienen AG lukrativer sein, die Grundstücke zu verscherbeln, anstatt darauf Schienen zu betreiben.

Beim Bundeseisenbahnvermögen verbleiben soll der Wohnungsbestand für Eisenbahner im Wert von rund 4,3 Milliarden Mark sowie Einrichtungen für Sport und Freizeit im Wert von rund 800 Millionen Mark.

Offen ist dem Bericht zufolge noch, wie weit Postliegenschaften in den neuen Bundesländern veräußert werden können. Der Neuaufbau in Ostdeutschland lasse es noch nicht zu, daß bei den Bereichen Telekom und Postdienst in größerem Maße Abgabeentscheidungen über den Immobilienstand getroffen werden können. Bei Telekom sind bisher erst 19 Immobilien im Wert von rund drei Millionen Mark veräußert worden, beim Postdienst lediglich vier Liegenschaften mit einem Erlös von 2,69 Millionen Mark. aje

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