Christiansen schuldfähig

■ Zweites psychiatrisches Gutachten im Prozeß um die Morde von Moelln

Schleswig (taz) – Nach dem psychiatrischen Gutachten ist der Angeklagte im Prozeß um die Morde von Mölln, Lars Christiansen, aufgrund seiner psychischen Reife einem Jugendlichen gleichzusetzen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie erklärte gestern vor dem Oberlandesgericht in Schleswig den Zwanzigjährigen zur Tatzeit für voll schuldfähig.

Bei Christiansen, den der Gutachter als einen empfindlichen, verletzbaren, psychisch unreifen Menschen mit Merkmalen einer Persönlichkeitsstörung beschrieb, habe zur Tatzeit keine psychische Veränderung vorgelegen. Er habe um die Folgen der Tat gewußt und sei im wesentlichen in einem ausgeglichenen Zustand gewesen. Das Gericht kann bei der Anwendung des Jugendstrafrechts als Höchststrafe zehn Jahre Haft verhängen.

Bei den Brandanschlägen Ende November vergangenen Jahres waren eine türkische Frau und zwei Mädchen ums Leben gekommen. Seit Mitte Mai muß sich Christiansen gemeinsam mit Michael Peters wegen dreifachen Mordes, versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung vor Gericht verantworten. Da Christiansen schlecht mit negativen Dingen leben kann, sei es möglich, daß er die Tat verdrängt habe, erklärte der Arzt. Zumal der Angeklagte in der Haft psychotische Zustände wie Halluzinationen als primitivsten Ausdruck der Abwehr hatte. Es könne sogar angehen, daß der Angeklagte auch noch während der Verhandlung glaube, er sei es nicht gewesen.

Christiansen hatte sein Geständnis bereits in der Haft mehrfach widerrufen. Bei Problemen warte der Zwanzigjährige eher auf Lösungen durch glückliche Umstände, als selbst etwas in die Hand zu nehmen, meinte der Gutachter. Als mögliche Motive für die Brandanschläge nannte der Arzt Christiansens zwiespältiges Verhältnis zur Skinszene, sein Bedürfnis nach Anerkennung. Die Tat könnte ein Ausdruck der Selbstbehauptung gewesen sein. kek