Unverständlich

■ betr.: „Blutpolitik und Medien- GAU“, taz vom 28.10.93

In Ihrem o.a. Kommentar werfen Sie dem Stern und anderen namentlich aufgeführten Medien vor, im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die jüngsten Turbulenzen um das Bundesgesundheitsamt (BGA) „permanent gegen den Ehrenkodex des Deutschen Presserates“ verstoßen zu haben, „der ungerechtfertigte Panikmache untersagt“, „Bürger und Patienten in tiefste Ängste zu stürzen, für die kein sachlicher Grund vorhanden ist“.

Hierzu stellen wir fest:

Der Stern hat im Zusammenhang mit den Bluterkranken und anderen Patienten, die sich durch Transfusionen oder durch Blutpräparate mit HIV infiziert haben, nie, wie Sie an anderer Stelle behaupten, von einem „neuen Aids-Skandal“ gesprochen. Vielmehr haben wir immer darauf hingewiesen, daß die Ursache für die politischen Turbulenzen um das BGA und für die Entscheidungen des Bundesgesundheitsministers Horst Seehofer tatsächlich seit langem bekant sind – durch Veröffentlichungen nicht zuletzt im Stern. Zuletzt haben wir in einem Interview in unserer heutigen Ausgabe damit auch den Minister konfrontiert.

Es ist uns unverständlich, wie Sie von „ungerechtfertigter Panikmache“ sprechen können und von fehlenden Gründen für „tiefste Ängste“, wenn – wie der Stern immer wieder nachgewiesen hat – Bluterkranke und andere, völlig ahnungslose Patienten auch dann noch durch Transfusionen und Präparate mit einer unheilbaren tödlichen Krankheit infiziert wurden, als HIV-Tests und -Inaktivierungsverfahren schon jahrelang vorlagen. Was hätte verhindert werden können, wenn das BGA und seine nachgeordneten Behörden sowie die zuständigen Politiker ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen wären, Verdachtsmomente sofort überprüft, präventiv Schutzmaßnahmen angeordnet, Verantwortliche gesucht und zur Rechenschaft gezogen hätten. Noch heute ist das Risiko, sich durch Transfusion oder Blutprodukte zu infizieren, höher als nötig, weil entsprechend scharfe Vorschriften für die Testung von Blutspenden, für Quarantänefristen usw. noch nicht vorliegen – wie Dr. Volker Müller vom Hamburger Zentrum für Transfusionsmedizin im Stern Nr. 42/93 vom 14.10.93 erläutert.

Es bleibt Ihnen selbstverständlich unbenommen, politische Entwicklungen wie etwa die Maßnahmen des Ministers Seehofer in den vergangenen Wochen anders zu bewerten als der Stern oder die Ursachen für Seehofers Entscheidungen andernorts zu suchen als wir. Auch steht es Ihnen immer frei, unsere Berichterstattung zu kritisieren, wenn uns tatsächlich einmal sachliche Fehler unterlaufen sein sollten oder wenn Sie Tendenzen in unseren Beiträgen ausmachen, die Ihrer persönlichen Sichtweise zuwiderlaufen.

Die oben aufgeführten Vorwürfe entbehren jedoch jeder Grundlage. Es entspräche wohl dem guten Ton der Kollegialität, die zitierten Anschuldigungen zurückzunehmen. Dr. Michael O. R. Kröher,

„Stern“ Ressort Wissenschaft,

Umwelt und Medizin