Ärzte schelten Seehofer

■ Rheinland-Pfalz weist Seehofers Vorwürfe im Aids-Skandal zurück

Hamburg (dpa) – Ärztevertreter haben gestern wegen des Aids- Skandals scharfe Kritik an Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) geübt. Der Minister habe teilweise durch „vorschnelle und nicht wissenschaftlich überprüfte Stellungnahmen“ zur Verunsicherung der Bevölkerung beigetragen, erklärte der Vorsitzende des Marburger Bundes, Ulrich Montgomery. Viele Patienten seien stark verängstigt, obwohl kein Grund zur Panik bestehe. Der Präsident der Berliner Ärztekammer, Ellis Huber, sprach sogar von einer „Massenhysterie“, die auf einem Fehlalarm Seehofers beruhe.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat den Vorwurf Seehofers zurückgewiesen, mit Verspätung auf seinen Hinweis auf die Firma UB-Plasma reagiert zu haben. Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Ullrich Galle stellte klar, daß es sich bei dem von Seehofer genannten Fax des Bundesgesundheitsministeriums vom 9.September nur um eine Reaktion auf ein Schreiben seines Hauses vom 7.September gehandelt habe. Galle sagte, er habe die zuständige Aufsichtsbehöre in Koblenz am 10.September informiert. Die jüngsten Äußerungen Seehofers zeigten dagegen, daß dem Bundesgesundheitsamt schon 1991 Hinweise vorgelegen hätten, die nicht an das Land weitergemeldet worden seien.

Der Vorwurf, daß UB-Plasma wissentlich HIV-haltige Blutprodukte in Umlauf gebracht hat, ist abgeschwächt worden. Die Vernehmung einer ehemaligen Laborantin ergab, daß es sich bei dem verkauften Präparat um Plasma für industrielle oder Laborzwecke handelte. Das Produkt sei offenbar nicht zur medizinischen Anwendung verkauft worden. HIV-positives Plasma wird z.B. von Laboren, die Aidstests durchführen, zur Gegenkontrolle eingesetzt.

Die SPD forderte unterdessen die Einrichtung staatlicher Blutbanken. Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes ist die Zahl der Blutspenden infolge des Skandals gesunken. Viele Spender fürchteten – völlig unbegründet – sich mit dem HI-Virus zu infizieren. Die Versorgung sei aber nicht bedroht.