Von Brokdorf nach Sellafield über Hamburg

■ In Kürze werden Brennstäbe zur Wiederaufarbeitung nach England gebracht

Zum ersten Mal seit der Inbetriebnahme im Herbst 1986 wird in diesem Monat ein Transport mit hochradioaktiven Brennelementen das Atomkraftwerk Brokdorf verlassen. Die abgebrannten Brennstäbe, die seit einigen Jahren im sogenannten Kompaktlager des AKWs zwischengelagert werden, sollen nun zur Wiederaufarbeitung ins britische Sellafield.

Insgesamt vier dieser gefährlichen Überführungen sind vom Bundesamt für Strahlenschutz bis Ende 1994 genehmigt worden. Der erste Transport fällt zeitlich mit den heftigen Auseinandersetzungen zusammen, die derzeit in England um die Inbetriebnahme einer neuen Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) im Gange sind. Neben wirtschaftlichen Argumenten und den Gefahren einer möglichen illegalen Verwendung des in der WAA anfallenden Plutoniums für Atombomben spielen in der Diskussion vor allem gesundheitliche Risiken eine große Rolle. Erst vor wenigen Wochen hatte das britische Gesundheitsministerium eine Studie veröffentlicht, in der ein Zusammenhang zwischen Leukämieerkrankungen und der Altanlage in Sellafield nicht mehr ausgeschlossen wird. Untersuchungen haben gezeigt, daß die neue Anlage technisch bereits völlig veraltet ist und in der Bundesrepublik keine Chance hätte, genehmigt zu werden. Bis heute hat die britische Regierung daher die Inbetriebnahme immer wieder verschoben.

Nun wollen die Betreiber von Brokdorf, die Preußen Elektra und die HEW, offenbar Sachzwänge schaffen. Denn auch nach ihren Angaben gibt es keine akuten Gründe, gerade jetzt Atomtransporte nach England zu schicken, da das Kompaktlager im Brokdorfer AKW noch aureichend Platz für abgebrannte Brennelemente aufweist.

Nach Informationen aus der Anti-AKW-Bewegung ist der für den Transport erforderliche Behälter vom Typ Castor S1 Montag in Brokdorf eingetroffen. Eine knappe Woche wird es dauern, bis die sechs Brennelemente eingeladen sind. Danach wird der Behälter per Tieflader zum seit über einem Jahr stillgelegten AKW Brunsbüttel gebracht und auf einen Eisenbahnwaggon verladen. Anschließend wird der Castor nach Wilster, Itzehoe und Elmshorn auch Hamburg passieren und auf der S-Bahntrasse Holstenstraße und Dammtor den Hamburger Hauptbahnhof durchfahren.

Ein Unfall, bei dem es zur Freisetzung der Radioaktivität käme, hätte für Hamburg verheerende Folgen: ganze Stadteile wären über Jahre hinaus unbewohnbar.

Dirk Seifert