■ Die Kooperation zwischen deutschen und iranischen Geheimdiensten hat eine lange, fatale Tradition
: Der Teufel als Freund?

Noch eine Weltrolle für die Deutschen? Wo alles drunter und drüber purzelt, jetzt die ordnende Hand unserer ganz geheimen Dienste. Jetzt 007, zweiter Teil: Statt Kaltem Krieg heiße Drähte zu den Strippenziehern der neuen Tragödien – immer hinter der Bühne. Macht das Sinn? Haben die Demokratien unter Beweis gestellt, daß ihre Geheimdienste das richtige Instrument sind für eine wichtige Ordnungsrolle im neuen Chaos? Die öffentliche Debatte ist ausgeblieben.

Noch haben wir die Rolle der deutschen Dienste in der versunkenen bipolaren Welt gar nicht aufgearbeitet – und schon gibt es Planungen für die neue Lage. In Zukunft soll es um die Abwehr der neuen übernationalen Gefahren gehen: Der exsowjetische Atomramsch, Terroranschläge von Fundis in den Westzentren, Militärs ohne politische Kontrolle, transkontinentale Drogenkriege, internationaler Menschenhandel. Das nimmt niemand leicht.

Aber sind die Dienste die richtigen Instrumente, um diese Herkules-Aufgaben anzugehen? Der BND ist entstanden aus dem Amt Gehlen. Geheimer Dienst des starken Staates. Seine Gegner waren die Diktatoren des Ostens – die staatliche internationale Kriminalität der Mielkes und Markus Wolfs. Die neuen privaten kriminellen „Gegner“ sind Gewächse extrem geschwächter Staatlichkeit. Das Feld des BND? Wollen wir wirklich künftig die Aufgaben der Polizei mit denen der Nachrichtenbeschaffer vermischen?

Voller Stolz lädt Kanzleramtsminister den „Teufel“ zum Plausch, brüstet sich mit dem kategorischen Imperativ aller humanitären Lebensrettungsdienste: Er würde auch mit dem Teufel reden, wenn dadurch Menschenleben gerettet würden. Diese Selbstlosigkeit ist jedenfalls weder dem Gretchen noch dem Herrn Doktor Faust sehr wohl bekommen. Zurückhaltung im Verkehr mit dem Teufel ist allemal angeraten, auch wenn er sich Menschen unter die Arme geklemmt hat, um sie zur Rettung anzubieten.

Wir wissen jetzt: Der Bundesnachrichtendienst hat seit einiger Zeit einen eigenen Mann in Teheran. Der iranische Geheimdienst einen in Bonn. Wir wissen, daß im Zuge der neuen postkommunistischen Rolle der BND dem Iran technische Hilfe gegeben hat. Und wir wissen, daß iranische Geheime in Deutschland Pullacher Nachhilfeunterricht bekommen haben. Dem Terror jedenfalls gegen Gäste in unserem Land, vermutlich durch eben diese iranischen Dienste, ist der BND nicht zuvorgekommen.

Die geheime Iran-Offensive des BND mißachtet den Beschluß des Bundestages, gegenüber dem Iran solange Rückhaltung an den Tag zu legen, bis der Rushdie-Mordbefehl zurückgenommen ist. Das Drängen auf gemeinsames Vorgehen der europäischen Staaten wird außer acht gelassen. Das Kanzleramt der Deutschen spielt geheim. Insgeheim soll es natürlich auch ein bißchen bekannt werden. Nur dann entfaltet das Geheime ja seine mythische Kraft.

Seit dem Mord an vier Gästen Willy Brandts in Berlin vor einem Jahr ist das alles nicht mehr bloß ein teures Spiel. Unser Staat droht sich zum zweiten Mal auf ein iranisches Abenteuer einzulassen. Ohne Not.

Wir wissen, daß der Iran einen europäischen Bürger, den britischen Schriftsteller Salman Rushdie in der ganzen Welt jagen läßt. Wir wissen, daß die Hisbollah Geld aus geheimen iranischen Kassen erhält. Wir wissen, daß die britische Regierung vor dem Besuch des iranischen Geheimdienstchefs nicht informiert worden ist.

Wir wissen nicht, wo die Deutschen sonst noch die neue geheime Welt der Dienste aufbauen wollen. Wir werden es herausbekommen. Ein Mandat für den Aufbau von geheimen Sicherheitsdiensten nichtdemokratischer Staaten gewährt unser Grundgesetz niemandem. Wer dort geheime Azubis ausbildet, tut dies gegen die Verfassung. Darum ein Blick auf die historischen Drähte der Geheimen nach Teheran.

Der Iran des alten Kaisers maßte sich grundsätzlich an, seine im Ausland lebenden Bürger zu kontrollieren. Der Iran der neuen Mullahs ebenfalls. Insofern sind seine Auslandsvertretungen bis heute mehr als nur Dienstleistungsbetriebe im zwischenstaatlichen Verkehr.

Es ist eine alte Ehe: Als der Schah 1967 Berlin besuchte, schlugen Jubelperser unter den Augen deutscher Polizisten auf Gegner des Potentaten aus Teheran ein. 1976 konnte amnesty international eine geplante Menschenrechtskonferenz über Mißhandlungen im Iran nicht in der Bundesrepublik abhalten. Die Deutschen waren gebeten worden, diese zu verhindern. Vom Savak. Die Menschenrechtler wichen nach Holland aus. Im Januar 1977 erklärte der iranische Außenminister Abbas Ali Chalatbari stolz, die Beziehungen seien gut, und man arbeite so eng zusammen, daß der iranische Geheimdienst sogar regelmäßig Informationen über hierzulande lebende persische Staatsbürger erhalte. Regierungssprecher Grünwald damals: „Es geht um die gegenseitige Unterrichtung von sicherheits-gefährdenden Bestrebungen und um Erkenntnisse über aktuelle terroristische Anschläge“. Gemäß Paragraph 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz werde ferner die iranische Botschaft über Bestrebungen informiert, die zu Gewaltakten iranischer Staatsbürger in der Bundesrepublik gegen persische Einrichtungen führen könnten.

Im Oktober 1977 wird der Sohn des im Exil lebenden Ayatollah Khomeini getötet, wahrscheinlich vom Savak. Im Juni 1978 muß der Schah den Savak-Chef Nematollah Nassiri entlassen. Der öffentliche Druck ist zu groß geworden. Im November 1978 geht im Anschluß an große Massenkundgebungen das Savak-Gebäude in Flammen auf. Am 16. Januar 1979 verläßt der Shah den Iran. Für immer. Am 15. Februar 1979 wird der Savak- Chef Nassiri nach einem geheimen Schnellverfahren erschossen. Die Zusammenarbeit mit Pullach war teuer und wertlos. Rationalität hat sie in die internationalen Beziehungen nicht gebracht.

Auch Khomeinis Republik hat sich auf das Völkerrecht immer nur nach Gusto eingelassen. Ihre diplomatischen Vertreter müssen noch weit mehr geheime Aktionen in aller Welt abdecken als die des Schah: Wer stützt die Fundamentalisten in Algerien, wer die Opposition gegen Saudi-Arabien, wer finanziert den Terror in Ägypten? Ist der Minister im Kanzleramt Schmidbauer seiner Sache und seiner lockeren Bemerkungen über den „Pakt mit dem Teufel“ so ganz sicher, wenn er an die wirklich hinteren Hinterleute des Bombenanschlags in Manhattan denkt?

Nach Khomeinis Tod ist auch die iranische Regierung auf die Suche gegangen nach einer neuen Rolle – in der Region und in der Welt. Der neue Präsident sucht das Vertrauen des Westens. Sagt er. Dabei soll Bonn, der so wichtige Handelspartner, helfen. Hoffnung auf Umsturz in Teheran hat kaum jemand. Eine demokratische Opposition ist nicht zu erkennen.

Eine Offensive des Iran für gute Beziehungen zu Westeuropa kann akzeptiert und aufgegriffen werden. Nicht durch geheime Dienste, sondern durch offenen Disput. Zuvor müssen aber unsere Essentials geklärt werden.

Nach wie vor gilt die Fatwah gegen Salman Rushdie und gegen alle, die sich an der Verbreitung seines Buches „Satanische Verse“ beteiligen. Mehrere tödliche Attentate gegen Übersetzer und Verlagsleute sind verübt worden. Die Fatwah ist vom iranischen Parlament im vergangenen Jahr noch einmal bekräftigt worden.

Der Iran verfolgt Menschen anderen Glaubens im Innern des Landes: Beispiel die „Bahai“.

Der Iran verübt Staatsterrorismus außerhalb seiner Grenzen. Morde in Frankreich, in Wien und zuletzt in Berlin werden ihm zugerechnet.

Der Iran macht sich zum Hauptgegner des Friedensschlusses im Nahen Osten. Die PLO-Führung ist unmittelbar gefährdet durch die vom Iran ausgehaltenen Gruppen Hisbollah und Hamas.

Deutschland hat ein fundamentales Interesse am Friedensschluß im Nahen Osten. Schon daher verbietet sich die Zusammenarbeit mit dem iranischen Geheimdienst.

Es gehe ausschließlich um humanitäre Zusammenarbeit, sagt der Geheimmann des Bundeskanzlers? Wo immer gefangene Bürger in das Machtspiel der diktatorischen Staaten geraten, muß es präzise Anweisungen geben für die Form der Kontakte. Bonn läuft sonst Gefahr, daß sich Teheran, wann immer dies notwendig ist, durch Verhaftung eines deutschen Bürgers in den Besitz von Geiseln setzt, zum Zwecke des Frei-Handelns. Die moderne iranische Bürokratie und das Ausmaß ihrer Korruption sind ein weit offenes Feld für alltägliche Verhaftungen.

Der Iran hat, nach islamischer Tradition, das Gastrecht, mit dem Mord an Gästen des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt unsere offene Demokratie tödlich gedemütigt. Ich fürchte, diesen Aspekt kennen und würdigen die iranischen Geheimen besser als ihr deutscher Partner. Freimut Duve

SPD-MdB; Mitglied im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages