EG sucht neue Bosnien-Strategie

■ Deutsch-französische Initiative / Sondertreffen geplant / Serbien schrittweise Aufhebung von Sanktionen angeboten

Brüssel (taz) – Die Außenminister der Europäischen Union, wie die EG seit dem 1. November auch heißt, wollen auf einer für den 22. Dezember angesetzten Sondersitzung ausschließlich nach Lösungen für den Bosnien-Konflikt suchen. Damit haben sich die Außenminister selbst unter Zugzwang für eine neue Friedensinitiative gesetzt.

Diskussionsgrundlage wird voraussichtlich der fünfseitige Vorschlag für eine gemeinsame europäische Jugoslawien-Politik sein, den der deutsche und der französiche Außenminister in Brüssel vorgelegt haben. Eine neue Friedenskonferenz wird es danach nicht vor dem nächsten Frühjahr geben, so Klaus Kinkel und Alain Juppé, weil die Vorbereitungen noch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen würden. Mit anderen Worten: Beim derzeitigen Stand der Verhandlungspositionen bestehen keine Erfolgsaussichten.

Kinkel und Juppé fordern, das nichtmilitärische Arsenal von Zuckerbrot und Peitsche gleichmäßiger als bisher auf alle drei Kriegsparteien anzuwenden. Den Serben soll signalisiert werden, daß Sanktionen nicht nur verschärft, sondern auch gelockert werden können. Wie von Italien vorgeschlagen, könnten serbische Zugeständnisse in territorialen Fragen mit einer schrittweisen Aufhebung der Sanktionen belohnt werden: Land gegen Wirtschaftsfrieden, sozusagen.

Auf der anderen Seite sollte auch den muslimischen Politikern klarer als bisher die Alternative aufgezeigt werden. Kinkel und Juppé wollen die europäischen Partner dazu bringen, ein konkretes finanzielles und wirtschaftliches Angebot für den Wiederaufbau Bosniens nach einem Friedensschluß zu machen. Wenn ihr nachgebt, so soll die europäische Botschaft an die bosnischen Moslems lauten, dann garantieren wir dafür, daß ihr auch auf kleinerem Gebiet überlebensfähig bleibt.

Der Kinkel-Juppé-Brief zeigt eine deutliche Hinwendung zur Realpolitik von Lord Owen. Der EG-Vermittler hatte den deutschen Außenminister immer wieder gedrängt, Druck auf die bosnischen Politiker zu machen, damit sie seinen Friedensplan akzeptierten. Bisher sträubte sich Kinkel dagegen, mit dem Argument, daß ein aufgezwungener Friede nicht halte und die drastische Beschneidung des muslimischen Gebietes nicht zu rechtfertigen sei. In dem Brief fordert Kinkel mit Juppé nun, daß „den Führern von Sarajevo die Ausweglosigkeit jeglicher militärischer Option und der Umstand verdeutlicht werden sollte, daß sie damit ein Nachlassen der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft riskierten“.

Mit schnellen Ergebnissen rechnen allerdings auch Kinkel und Juppé nicht. Um die Bevölkerung über den Winter zu bringen, müßten deshalb „die finanziellen Mittel für die humanitäre Hilfe erhöht und dafür auch dritte, vor allem islamische Staaten gewonnen werden“. Um das eigentliche Problem drücken sich Kinkel und Juppé herum, nämlich wie die humanitäre Hilfe so abgesichert werden kann, daß sie nicht von den Kriegsparteien blockiert wird und bei den tatsächlich Bedürftigen ankommt.

Der Kommentar aus Belgrad zur deutsch-französischen Initiative war kurz und bündig: „positiv, annehmbar und gut“, hieß es gestern in einer Stellungnahme der Nachrichtenagentur Tanjug. ab