Kohlezechen bleiben Milliardengräber

Regierungskoalition beschließt, daß bis zum Jahr 2000 sieben Milliarden Mark Subventionen in den deutschen Steinkohlebergbau fließen sollen / Keine Entscheidung über Energiesteuer  ■ Von Erwin Single

Berlin (taz) – Alle hatten sie sich schon die Hände gerieben, die Stromindustrie wie die Verbraucher, die Liberalen, die CSU und sogar einige Sozialdemokraten aus den ostdeutschen Braunkohleländern. Der Grund der Vorfreude: Die harmlos Kohlepfennig genannte Ausgleichsabgabe, über die die heimische Steinkohle jährlich mit Milliardenbeträgen alimentiert wird, sollte Ende 1995 auslaufen. Dann, so die Überlegung, würden die Karten im Kohlepoker neu gemischt. Doch die Allianz der Notopfer-Gegner hat sich zu früh gefreut: Die Bonner Koalition hat sich gestern darauf geeinigt, den Kohlepfennig erst einmal beizubehalten – zumindest für das Jahr 1996.

Auch an den bei den geplatzten Energiekonsens-Gesprächen zugesagten Kohlesubventionen von jährlich sieben Milliarden Mark von 1997 bis zum Jahr 2000 will die Regierung festhalten. Wie allerdings dieses nicht gerade bescheidene Sümmchen zusammengekratzt werden soll, ist nach wie vor unklar. Die Entscheidung darüber wurde auf 1996 vertagt. So bleibt für die Beteiligten Zeit genug, die bereits gelegten Feuerschneisen, die quer durch Parteien, Interessensgruppen und Bundesländer gehen, unvermindert auszubauen.

Bisher bezahlen die Verbraucher für die unwirtschaftliche Kohleförderung jährlich rund 10 Milliarden Mark, mit denen 100.000 Arbeitsplätze an Rhein und Ruhr erhalten werden konnten. Während die Freidemokraten, allzeit zum Kampf für die Marktwirtschaft bereit, sich für die Einführung einer Energiesteuer einsetzen, mag die CSU keine neuen Steuern und plädiert für einen modifizierten Kohlepfennig. So zählt Wirtschaftsminister Günter Rexrodt zu den Verlierern des Koalitionskompromisses, hatte er doch seit Wochen hartnäckig für eine Energieabgabe geworben. Diese würde, im Gegensatz zum Kohlepfennig, auch die Verbraucher von Erdöl, Gas und Benzin zur Kasse bitten. Doch die Front der Kohle-Lobby bröckelt: Vor allem die Stromkonzerne laufen Sturm gegen ein weiteres Kohle-Notopfer. Für sie gibt es keinen Grund, die um rund 180 Mark pro Tonne teurere deutsche Kohle zu kaufen, zumal in dem über den Kohlepfennig finanzierten Verstromungsfonds ein Milliardenloch klafft. Deshalb haben sie bereits bei den Karlsruher Verfassungsrichtern Beschwerde gegen den Kohlepfennig eingelegt. Zu den Gegnern der Kohlesubventionen haben sich inzwischen auch die kommunalen Stromunternehmen gesellt, die ihre Energie lieber mit umweltfreundlicherem und billigerem Erdgas erzeugen.

Die Koalition hat ihre Rechnung auch ohne die EG-Kommission gemacht. Dabei ist der deutsche Kohlebergbau einer der größten Subventionsempfänger der Gemeinschaft, weshalb die EG- Behörden im Kohlepfennig einen Verstoß gegen den freien Energiemarkt entdeckt haben und ihn, nicht zuletzt unter Druck der französischen Atomstromlobby, mit allen rechtlichen Mitteln zu Fall bringen wollen.