Dioxin-Suche geht weiter

■ Abfall-Deponie Schönberg: neue Zeugen, neue Giftlager / Doch die Seveso-Fässer bleiben verschwunden

Jahrelang ruhten sie in Frieden, wenn sie denn vergraben und nicht – wie vom Schweizer Pharma-Riesen „Hoffmann La Roche“ behauptet ++- in Basel verbrannt worden sind. Nun überschlagen sich die Ereignisse bei der Fahndung nach den 41 Dioxin-Fässern aus Seveso, die möglicherweise auf der Giftmülldeponie verbuddelt wurden. Neue Zeugen und neue Geheimdokumente aus Stasi-Zeiten treiben die Spekulationen zur Blüte. Tickt eine Zeitbombe auf dem Grund der Deponie oder sind die Vermutungen, daß das Seveso-Ultragift in Schönberg lagert, nur reine Panikmache?

Für den Schweriner Umweltminister Jelen gibt es weiterhin „keinerlei Beweise“, daß die Dioxin-Fässer nach Schönberg verbracht wurden. Trotzdem ließ er in den vergangenen Wochen die Deponie mit geomagnetischen Messungen nach dem Gift absuchen, um für die beunruhigte Bevölkerung eine „gläserne Deponie“ zu schaffen.

Kaum waren die Untersuchungen ohne endgültiges Ergebnis abgeschlossen, da tauchten mehrere Zeugen auf, die bei der Fässer-Beseitigung dabei gewesen sein wollen. Darunter ein Ingenieur, ein Bagger- und ein Lastwagenfahrer. Und der Schönberger Unternehmer Michael Zander gab öffentlich zu Protokoll: „Aus absolut zuverlässiger Quelle weiß ich, daß 1983 Fässer mit Dioxin in einer Nacht- und Nebelaktion auf die Deponie gekippt wurden“.

Ein anderer Zeuge berichtete der Schweriner Staatsanwaltschaft, auf Europas größter Müllkippe seien 1989 vor der Wende Fässer umgelagert worden, bei denen es sich um die 41 Seveso-Behälter handele. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun, will auch frühere Stasi-Mitarbeiter zu den Vorwürfen vernehmen. Der Schweriner Umweltausschuß kündigte unterdessen an, den belgischen Europaabgeordneten der Grünen Paul Staes sowie einen Vertreter von „Hoffmann La-Roche“ noch im November zu einer Sitzung des Gremiums zu laden, um Licht in das Dunkel zu bringen.

Staes, vehementer Vertreter der These, das Seveso-Gift sei in Schönberg gelandet, überraschte gestern die Öffentlichkeit mit neuen Erkenntnissen. Nach Unterlagen die ihm vorliegen, wurde bereits 1981 mit den Planungen einer drei Hektar großen Deponieteilfläche für rund 25.000 Tonnen hochgiftiger Abfälle begonnen. Ob die Arbeiten vollendet wurden, ließe sich jedoch erst durch Einblick in zusätzliche Akten feststellen. Staes forderte die Staatsanwaltschaft auf, sich diese Papiere zu beschaffen, um festzustellen, ob die Dioxinfässer in Schönberg gelagert wurden.

Die in den vergangenen Wochen durchgeführte Suche nach den Fässern bewertet Staes als „Hinhaltetaktik zur Beruhigung der Öffentlichkeit“. Wenn man mit elektromagnetischen Messungen nach Metall suche, sei klar, daß die Dioxinbehälter nicht gefunden würden, da auf der Deponie Hunderte von Fässer lagern. Der Europaparlamentarier kündigte an, dem Schweriner Umweltausschuß seine gesamten Dokumente über die Giftmüllfläche zur Verfügung zu stellen. Marco Carini