„Klappe zu – Affe tot“, höhnte die SED-Führung

■ In ihrer Geschichte trotzte die U-Bahn-Linie 2 Wasserfluten, Bomben und dem Feuer / Wichtigste Ost-West-Verbindung seit 1961 wie für die Ewigkeit getrennt

Zum Auftakt des U-Bahn-Betriebs in Berlin gab es am 15. Februar 1902 eine sogenannte „Ministerfahrt“. Das gemeine Volk mußte sich bis zur offiziellen Eröffnung des ersten, sechs Kilometer langen Streckenabschnitts vom Stralauer Tor zum Potsdamer Platz drei Tage gedulden. Als die U-Bahn-Linie 2 gut 59 Jahre später am Potsdamer Platz gekappt wurde, beschränkte man sich ganz auf die – nunmehr allerdings geheime – Staatsaktion. Nach dem Mauerbau am 13. August 1961 wurde der durchgehende Betrieb der U 2 über den Verkehrsknotenpunkt Potsdamer Platz zum Gleisdreieck im Westen der Stadt wie für die Ewigkeit unterbrochen. Etwa hundert Meter weit vor der eigentlichen Sektorenlinie mauerten Grenzer den in den Westen führenden Tunnel der Hoch- und Untergrundbahn mit einer anderthalb Meter dicken Ziegelwand zu, um Fluchtmöglichkeiten zu unterbinden. Der Potsdamer Platz diente fortan nur zum Abstellen der Züge. „Klappe zu – Affe tot“, höhnten nach der gewaltsamen Trennung der Verkehrswege Sänger der SED im Ost-Rundfunk.

Bereits im März 1902 rollten die elektrischen Züge vom Stralauer Tor über Gleisdreieck bis zum Zoologischen Garten durch. Der Ausbau der U-Bahn durch das Stadtinnere Berlins bis Alexanderplatz (1913) brachte manche Überraschungen. Der beim U-Bahn- Bau als Elektroingenieur tätige Hans Dominik in seinen Lebenserinnerungen: „Etwas unheimlich wurde die Untergrundbahnstrecke dann hinter dem Spittelmarkt im Zuge der jetzigen Wallstraße. Dort durchschnitt sie das Gebiet der mittelalterlichen Friedhöfe und Pestfriedhöfe. Jeder Spatenstich förderte aus dem weißen Sand Totenschädel und Schenkelknochen zutage.“

Kurz hinter dem heutigen Bahnhof Märkisches Museum war die 125 Meter breite Spree in offener Bauweise zu untertunneln. Die Arbeiten standen unter keinem guten Stern, es kam zum Unglück: Hereinbrechendes Flußwasser überschwemmte auch die bereits in Betrieb gegangene Tunnelstrecke vom Leipziger Platz bis Spittelmarkt. 1929 konnte schließlich der letzte Abschnitt nach Pankow (Vinetastraße), im Folgejahr der Bahnhof Ruhleben eröffnet werden.

Im Zweiten Weltkrieg wurden etliche Bahnhöfe der U 2 durch alliierte Bomben total zerstört. An Hochbahnviadukten, Tunneldecken und Gleisen gab es schlimme Schäden. Die größten Schäden richtete allerdings die abziehende SS an: „50 Meter Träger waren auf den Erdboden gestürzt und mußten auseinandergeschweißt und ersetzt werden“, so lautete ein damaliger Bericht. Am 2. Mai 1945 sprengten SS-Verbände auch den Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn. Etwa eintausend verwundete Soldaten und Zivilisten, die in den Tunnel geflüchtet waren, ertranken, als die Spree sich in den Tunnel ergoß.

Jahrzehntelang „waren die Züge immer voll“, erzählte im BVG-Archiv ein pensionierter Zugbegleiter. Damals habe es auf der U 2 auch noch keine lebensmüden U-Bahn-Surfer jugendlichen Alters gegeben. Und, glaubt man ihm, auch kaum Selbstmörder, die sich direkt vor die U-Bahn warfen. Weil es bei den alten U-Bahn- Fahrzeugen mehr Luft zwischen Unterboden und Gleisen gab, wäre den Lebensmüden auf den Gleisen ohnehin wenig passiert: „Die hätten allenfalls die Bremsschläuche hochgedrückt.“

Zu Zeiten der Teilung fiel den Stadtplanern nichts Besseres ein, als auf der Trasse der Hochbahn vom Gleisdreieck zum Kemperplatz eine überaus kostspielige Magnetbahn anzulegen. Dadurch sei die Teilung Berlins nach 1989 „unnötig verlängert worden“, kritisierte dies der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne, Michael Cramer. Dabei war nach einer langen Pause bereits 1972 zwischen der östlichen BVB und der West-BVG wieder über eine Kooperation in Sachen U 2 gesprochen worden. Da nach einem großen Brand am Alexanderplatz – 14 Waggons wurden zerstört, 110 Meter Decke stürzten ein – Fahrzeuge fehlten, erwarb die BVB von der BVG 40 Kleinprofilwagen. Bedingung des östlichen Vertragspartners: Sämtliche Netzpläne, Plakate und Westreklamen seien zu entfernen. Thomas Knauf