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„Niemanden erkannt“

■ BGSler als nichtssagender Zeuge der Anklage im Gerhof-Prozeß

Zweiter Verhandlungstag gegen die sechs Männer, die im Mai 1990 während einer Soli-Demo für die Hafenstraße eine Gruppe von Bundesgrenzschützern (BGS) „überfallen“ und einen von ihnen schwer verletzt haben sollen. Der damalige BGS-Gruppenführer Reinhold T., der laut Anklage am heftigsten attackiert und verletzt worden sein soll, sagte aus. Doch seine Aussage erhellte wenig, da er „niemanden erkannt“ hatte.

Reinhold T. konnte nach eigenen Angaben auch direkt nach dem Vorfall in der Gerhofstraße die „Angreifenden“ nicht identifizieren. „Erst in der 'Bild-Zeitung' sah ich auf Fotos, daß es mehrere waren“, so T. Immer wieder schildert der Zeuge, wie er und acht Kollegen die Gerhofstraße absperrten und von „ungefähr zehn Leuten angegriffen“ wurden. „Ich konnte aber niemanden erkennen, denn die Sache spielte sich innerhalb von Sekunden ab“.

Nach einem Schlag oder Tritt in den Rücken sei er gestürzt und dann getreten worden. Wer ihn trat, wußte er nicht zu sagen, denn: „Ich hatte meinen Schild über den Kopf gezogen, dadurch war die Sicht beeinträchtigt“.

Im Mittelpunkt der gestrigen Vernehmung stand auch die Frage, warum Reinhold T., als er nicht mehr bedrängt wurde, plötzlich seine Pistole zog. „Ich wollte einen weiteren Angriff auf mich vermeiden“, rechtfertigte er den Griff zur Waffe. Danach gelang es ihm, sich „zurückzuziehen“, wobei er noch ein zweites Mal die Pistole zog, da er sich nach weiteren Tritten gegen seinen Schild in einer „lebensgefährlichen Situation“ wähnte. Auch auf dem „Rückzug“ habe er keinen der Angreifer erkennen können, gab Reinhold T. zu. Wahrlich kein überzeugender Zeuge der Anklage.

Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.

Peter Behrendt

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