Aktien für ArbeiterInnen

■ Jesuit Hengsbach für höhere Löhne und In vestitionen

“Höhere Gewinne gleich mehr Investitionen gleich mehr Arbeitsplätze gleich wirtschaftlicher Aufschwung — diese Rechnung geht nicht auf.“ Friedhelm Hengsbach, Mitglied des katholischen Jesuitenordens und Wirtschaftsprofessor aus Frankfurt, legte gestern auf dem „2.Bremer Betriebs- und Personalrätetag“ des katholischen Bildungswerks seine Vorschläge für den wirtschaftlichen Aufschwung vor. Hengsbach plädierte für einen „Investivlohn“: Auf den momentanen Reallohn solle per Vereinbarung im Tarifvertrag ein Betrag aufgestockt werden, der nicht zum Konsum, sondern für Investitionen in die Wirtschaft verwendet werden solle. Damit, so Hengsbach, ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die dringend benötigten Mittel für Investitionen auftreiben und gleichzeitig das Eigentum am Produktionsvermögen gerechter unter der Bevölkerung streuen. Aktien in Arbeiterhand, das sei nicht nur eine moralische Forderung, sondern auch eine sinnvolle Maßnahme zur Ankurbelung der siechenden Wirtschaft.

Die Ansicht, daß die momentane Wirtschaftskrise auf zu hohe Löhne und ein zu starres Tarifsystem zurückgehe, nannte Hengsbach ein „ideologisches Phantomargument“. Niedrigere Löhne brächten den Unternehmern zwar höhere Gewinne, diese würden aber nicht automatisch investiert: „Sie verschaffen den oberen Schichten mehr Kaufkraft für Luxusgüter oder werden in Spekulationen angelegt.“ Jeden Tag wanderten 1,2 Billionen Dollar an „vagabundierendem Vermögen“ um die Erde auf der Suche nach Spekulationsgewinnen. Bei den unteren Einkommen dagegen bewirke eine Erhöhung des Vermögens sofort einen spürbaren Effekt für die Nachfrage: bei Menschen mit geringen Einkommen und finanzschwachen Kommunen gebe es einen enormen Stau von Bedürfnissen, die zu Nachfragesteigerung und Beschäftigung führen würden.

Statt also der Forderung nach Lohnkürzungen nachzugeben, sollten die Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen das genaue Gegenteil fordern, meinte der Wirtschaftsjesuit: aus dem Investitionsanteil, der auf den Lohn draufgepackt werden soll, soll ein Fonds gegründet worden, in dem das Geld für 5 bis 7 Jahre festgelegt werden soll. Daraus will Hengsbach in der Zukunft die Angestellten und Arbeiter verstärkt finanziell an ihren eigenen Unternehmen beteiligen. Denn bisher, so Hengsbach, besitzen etwa 2 Prozent der Bevölkerung 70 Prozent der Produktionsmittel, das gesamte Geldvermögen der privaten Unternehmen beträgt 1,5 Billionen Mark — ein Viertel aller privaten Haushalte dagegen habe kein Vermögen oder sogar Schulden.

Wie die Gewerkschaften beim Druck auf die Löhne gegenhalten sollen und sogar eine Erhöhung um die Investitionssumme erreichen sollen, wußte Hengsbach nicht zu sagen. „Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt für eine solche Maßnahme — aber es wird sehr schwer, Zustimmung zu finden.“ Bernhard Pötter