Für Autos, gegen Kinder

■ Seminar zum Thema Straße als Kinderspielplatz / Wie sich Kinder schützen können

Die Kinder müssen in die Garage, damit die Autos draußen spielen dürfen. So könnte man den Zustand beschreiben, der Mütter, Väter und BehördenvertreterInnen veranlaßte, am vergangenen Wochenende an einem Seminar des Paritätischen Bildungswerks teilzunehmen: „Die Straße - ein Spielort für Kinder?“ Die Eltern wollten überlegen, wie 'ihre' Straße für Kinder 'bespielbar' gemacht werden kann. Zum Ende des Seminars brachte Walter Schmolz von der Verkehrswacht Bremen das Problem auf den Punkt: „Die Deutschen sind zwar autofreundlich, aber kinderfeindlich“.

Klaus Hinte von der Straßenverkehrsbehörde pflichtete ihm bei. Die Anrainer seien nur solange für Verkehrsberuhigung und Spielstraßen zu haben, bis sie mit den Konsequenzen konfrontiert würden, sagte er. Paradoxe Situationen habe er schon erlebt: Da hätten sich BürgerInnen in Bremen-Nord dafür eingesetzt, ihre Straße in eine Spielstraße umzuwandeln. Als sie aber kurz nach dem Umbau die Folgen zu spüren bekamen, war eine Tempo- 30-Zone das höchste der Gefühle, berichtete der Beamte. Schrittgeschwindigkeit, Parken nur noch auf vorgezeichneten Flächen – das war ihnen wohl zu wenig, vermutete er. So klang sein Fazit denn auch deprimierend: „Kinder haben keine Lobby, aber die Autoindustrie – die hat eine.“

Eine solche Lobby zu bilden, dazu hatten sich die 26 Männer und Frauen zusammengefunden. Sie wollten miteinander ins Gespräch kommen, erklärte Renate Backmohr vom Paritätischen Bildungswerk, um gemeinsam Ideen zu entwickeln, Erfahrungen auszutauschen, sich über mögliche AnsprechparterInnen bei den Behörden zu informieren und – nicht zuletzt – erste Schritte zu planen.

Denn die Zustände auf Bremens Straßen lassen zu wünschen übrig, besonders aus Kindersicht. Bundesweit waren 1991 rund 47 Mio. Kraftfahrzeuge zugelassen: jedeR zweite BundesbürgerIn nennt ein heilig Blechle ihr oder sein eigen. Wegen der Platznot werden Fuß- und Fahrradwege kurzerhand zu Parkstreifen umfunktioniert. Die Neustadt und das 'Viertel' sind stärker betroffen als alle anderen Bremer Stadtteile. Denn in ihnen kommen rechnerisch dreimal mehr Straßen auf eineN BewohnerIn als sonst. Eine Mutter beklagte sich, daß die Föhrenstraße obendrein Bremens berühmtem Automobilhersteller als Teststrecke diene. Ihr blieb nur noch Zynismus: „Das Kopfsteinpflaster ist denen bei der Fehlersuche behilflich“, lästerte sie – und Fotos von blaubekittelten Männern bei der Probefahrt machten die Runde.

Die Palette der Antworten auf die Frage „Was tun?“ reichten von freudigem Aktionismus über das Abwägen von Recht und Gesetz bis zu tiefer Resignation: Der Wettstreit zwischen Idee und Wirklichkeitserwartung gipfelte in einer Wette. In einem Teil der Kantstraße sollen auf Vorschlag einer Mutter Halteverbotsschilder aufgestellt werden. Klaus Hinte: „Wenn sich die Anwohner dran halten, zahlen wir die Kosten, ansonsten Sie!“

Auskünfte über weitere Aktivitäten erteilt Renate Backmohr, Tel. 17 47 20.

Arvid Friebe