Chemie: Umweltpause?

■ Chemieunternehmen klagen über Seehofer-Reform und Umweltauflagen

Sie ist schwerkrank, die norddeutsche Chemie- und Pharmazieindustrie. Gesundheitsreform und Billiganbieter aus dem asiatischen und pazifischen Raum, Lohnnebenkosten auf Rekordhöhe und teure Umweltauflagen sind für Kurt Eiglmeier vom „Verband der Chemischen Industrie“ schuld an der Krise seiner Branche. Neben einer Lohnpause für die anstehende Tarifrunde fordert der Vorsitzende des Chemie-Landesverbandes Nord deshalb eine Umweltpause: „Es gibt keinen Spielraum mehr für verschärfte Umweltauflagen.“ Kurt Eiglmeier: „Die Lage ist beschissen, und Besserung ist nicht in Sicht.“

In den ersten acht Monaten dieses Jahres sank der Umsatz der norddeutschen Chemieunternehmen um 5,8 Prozent. Lediglich die Bremer Chemiebetriebe konnten noch ein leichtes Umsatzplus von einem Prozent erzielen, während die in Hamburg (minus 8,2 Prozent) und Schleswig-Holstein (minus 7,7 Prozent) ansässigen Hersteller Umsatzeinbuchen in Rekordhöhe verzeichneten. Für das kommende Jahr rechnet der norddeutsche Chemieverband mit vergleichbaren Ergebnissen und dem Beginn einer Abwanderungswelle der Chemieunternehmen in Richtung Osten. „Wir können mit den Dumping- Preisen der asiatischen und pazifischen Anbieter nicht mehr konkurrieren“, resümiert Eiglmeier die Situation. Deshalb würden die in Norddeutschland angesiedelten mittelständigen Unternehmen „auf die früheren Ostblockländer“ schielen, wo die Lohnkosten „nur ein zehntel bis ein hundertstel so hoch sind wie bei uns“.

Um das zu verhindern, setzen die Chemie-Unternehmer PolitikerInnen und Gewerkschaften die Pistole auf die Brust: Lohnnullrunden, niedrigere Umweltauflagen und eine Revidierung des Gesundheitsstrukturgesetzes sollen den maroden Industreizweig „aus der größten Krise der Nachkriegszeit“ führen. So hätten allein die „gesetzlichen Behinderungen in der Gentechnik bundesweit rausende Arbeitsplätze gekostet“.

Die hohen Wasserabnahmegebühren und die geplante Verdoppelung der Sondermüllabgaben in Niedersachsen würden ebenfalls einen Abbau von Arbeitskräften nach sich ziehen, da andere Kosteneinsparungen kaum möglich seien. Damit die Chemie wieder brummt, macht der norddeutsche Chemieverband gegen alles Front, was die Umweltbelastung durch die Chemieproduktion verringern könnte. Marco Carini