Fisherman's Friend mit leerer Bordkasse

Der Haushalt 1994 ist die Nagelprobe für die rot-grüne Koalition in Frankfurt: Die SPD lehnt den Etat des grünen Stadtkämmerers Tom Koenigs ab, aber auch die Grünen fordern Veränderungen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Fisherman's Friend segelt in schwerem Wetter. Seit der politische Intimus von Joschka Fischer, der Frankfurter Stadtkämmerer Tom Koenigs (Bündnis 90/Grüne), seinen Sparhaushalt im Stadtparlament eingebracht hat, brachen Stürme der Entrüstung los – und es hagelt Kritik von allen Seiten: Die organisierten Frauen gehen auf die Barrikaden, Kulturinitiativen stehen kopf, die von einer „Entlassungswelle“ bedrohten Beschäftigten im Römer machen mobil, und auch die Sozialpfarrer wollen „längst überfälligen Protest gegen die Einsparpolitik auf dem Rücken der Armen“ in die Öffentlichkeit tragen: „Schluß jetzt! Kein Sparen bei den Armen – Streichen bei den Reichen!“

Seit dem vergangenen Wochenende steht der selbsternannte Steuermann („Kurs wechseln!“) mit der leeren Bordkasse gänzlich ohne Hemd alleine an Deck des rot-grünen Koalitionsschiffes. Die SPD beschloß auf einer Funktionärsversammlung, den von Koenigs konzipierten und vom Magistrat verabschiedeten Etat im Stadtparlament abzulehnen – „wenn nicht noch deutliche Veränderungen zugunsten des Sozialbereichs eingearbeitet werden“.

Der Frankfurter SPD-Parteichef Sieghard Pawlik sprach von „Korrekturbedarf“. Und Vorstandsmitglied Hans Busch warf Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (SPD) auf der Funktionärskonfernez vor, bei der Haushaltsvorstellung „bewußt die Unwahrheit gesagt“ zu haben. Die Einschnitte in das soziale Netz seien großflächiger ausgefallen als vom OB dargestellt – und die Kürzungen im Kulturbereich nur marginal gewesen. Und weil die Partei den von OB von Schoeler „per ordre de mufti“ eingesetzten und nicht vom Parlament gewählten Kämmerer Tom Koenigs ohnehin nur zähneknirschend hingenommen hat, brachte Busch die „Haushaltsmisere“ aus Sicht der SPD unter Beifallsstürmen der Sozialdemokraten auf den wunden Punkt: Das Rote wurde im Etat „gefleddert“ – das Grüne aber nur „sanft gerupft“.

Mit Blick für das Grobe haben die führenden Sozialdemokraten vom Main die kulturpolitischen Akten bei den Grünen abgelegt. Und „das Soziale“ als rein sozialdemokratisches Terrain für sich reklamiert. Mit der Ankündigung der Ablehnung des Etats wird nicht nur Tom Koenigs von der SPD vorgeführt: Getroffen werden soll auch die bei Teilen der SPD ungeliebte Kulturdezernentin Linda Reisch – und nicht zuletzt auch der Oberbürgermeister selbst. Denn die seit Jahren bei der Frankfurter SPD schwelenden Auseinandersetzungen zwischen den „Modernisierern“ um OB von Schoeler und seinen Planungsdezernenten Martin Wentz und dem „proletarisch-konservativ-provinziellen“ Flügel glimmen weiter.

„Die Grünen werden den Haushalt gemeinsam mit der SPD verabschieden“, hieß es noch Ende September trotzig-hoffnungsvoll in einer auf einem Sonderkreisparteitag von Bündnis 90/Grüne verabschiedeten Erklärung zur „SPD- Sabotage“ bei der Wahl des grünen Dezernenten. Und die Grünen bereiteten ihre Klientel schon sanft auf den Blut-, Schweiß- und Tränen-Haushalt von Tom Koenigs vor: „Sparen als Herausforderung für die Frauenpolitik“ hieß da etwa ein Hintergrundgespräch, zu dem Stadträtin Margarethe Nimsch (Bündnis 90/Grüne) lud. Aber auch der Fraktion Bündnis90/ Grüne im Römer gefällt nicht alles, was Koenigs und OB von Schoeler in Haushaltspapier verpackt haben. Wie die SPD gingen auch die Grünen erst einmal in Klausur. Und dabei sind sie schon ein wenig weicher geworden. Zum Entsetzen von Koenigs' näherten sie sich den Vorstellunngen des Koalitionspartners an. Koenigs ist ein einsamer Mann im grünen Kreisverband geworden.

Immerhin bleibt der grüne Fraktionsgeschäftsführer Sikorski dabei: Das Konsolidierungsprogramm insgesamt stehe nicht zur Disposition: „Es geht nur um eine gerechtere Verteilung der Leidenstitel.“ Bei den Schwachen – „und hier meine ich Institutionen und nicht Personen“ (Sikorski) – müsse tatsächlich weniger intensiv gestrichen und die „Großen und Starken“ dafür stärker rangenommen werden. „Schwache“ sind für Bündnis 90/Grüne allerdings nicht nur soziale Projekte und Institutionen. Ausdrücklich machte sich Sikorski etwa für den Erhalt des Kommunalen Kinos, dem von Sparkommissar Koenigs die Vorhänge zugezogen wurden, stark – „wenn auch der Etat dort heruntergeschraubt werden muß“. Rückendeckung für die SPD gab's am Dienstag vom DGB: „Der Sozialetat muß nachgebessert werden“, forderte der alte und neue DGB- Kreisvorsitzende Hooge auf einer Delegiertenkonferenz im Gewerkschaftshaus. SPD und Bündnis90/ Grüne hätten die Pflicht, die entsprechenden Etats aufzustocken. Doch wer „aufstocken“ will, der gefährdet eben das gesamte Konsolidierungsprogramm: Der hessische Innenminister Herbert Günther (SPD) drohte bereits mit der Streichung aller Landeszuschüsse, falls sich die hochverschuldete Stadt vom Konsolidierungsprogramm verabschieden sollte. Für die rot-grüne Koalition brechen harte Zeiten an.