Moksels verzwicktes Konto „Sylvia“

Berliner Staatsanwaltschaft bezichtigt den bayerischen Fleischmogul Moksel der Steuerhinterziehung / Geldwäsche über Schalcks KoKo-Kanäle / Rüffel für weiß-blaue Finanzbürokratie  ■ Von Thomas Scheuer

Berlin (taz) – Nach dem jüngst aufgeflogenen Skandal um fragwürdige Steuernachlässe für den niederbayerischen „Bäderkönig“ Eduard Zwick steht den Verantwortlichen des Freistaates eine zweite millionenschwere Steueraffäre ins Haus. Im Zentrum steht der Buchloer Fleischwarengrossist Alexander Moksel. Berliner Staatsanwälte, die seit der Wiedervereinigung die verschlungenen Geschäftswege zwischen Moksel und dem Firmenimperium des Ex- DDR-Devisenjongleurs Alexander Schalck-Golodkowski durchleuchten, kamen jetzt zu dem Schluß, daß der bayerische Großindustrielle durch Finanztransaktionen über die DDR und die Schweiz zu DDR-Zeiten an die 100 Millionen D-Mark an den Steuerbehörden vorbeigeschummelt hat.

Im Zentrum der Ermittlungen steht ein nach der Wende entdecktes Konto Nr. 651 „Sylvia“ bei der Deutschen Handelsbank in Ostberlin. Kontoinhaber: Alexander Moksel, der eine Tochter hat, die zufällig auf den gleichen Namen hört. Über das Konto „Sylvia“ waren Millionenbeträge auf das Konto Nr. 714078 beim Schweizerischen Bankverein in Küsnacht bei Zürich verschoben worden. Moksels Steuerberater machten im Rahmen einer vorsorglichen Selbstanzeige am 7. Januar 1991 gegenüber dem zuständigen Finanzamt Kaufbeuren geltend, ihr Mandant habe die über „Sylvia“ in die Schweiz geschleusten Millionen nur treuhänderisch für Geschäftspartner in der DDR gehalten, also quasi nur als deren „Strohmann“ fungiert.

Das Finanzamt gab sich mit dieser Erklärung großzügig zufrieden, zumal Moksel für 1990 freiwillig 3,92 Millionen Mark Umsatzsteuern nachbezahlte. Damit schien Moksel seine Steuerprobleme los zu sein.

Doch die Fahnder der AG Regierungs- und Vereinigungskriminalität beim Kammergericht Berlin gaben sich nicht zufrieden. Sie, die auch veruntreuten DDR-Geldern nachzuspüren haben, wollten wissen, für welche DDR-Bonzen „Strohmann“ Moksel denn die Knete beiseite geschafft hatte, wähnten sich zeitweise gar auf der Spur eines heimlichen Rentenkontos von Schalck-Golodkowski. Jetzt kommen die Ermittler zu dem Schluß: Die angeblichen Hintermänner, über deren Identität der Buchloer Fleischmogul sich beharrlich ausgeschwiegen hatte, existieren gar nicht.

Ende September, so erfuhr die taz, teilte die Berliner Staatsanwaltschaft den bayerischen Finanzbehörden mit, bei einem Großteil der strittigen Millionen handle es sich eindeutig um private Gelder des Herrn Moksel; dieser habe die entsprechenden Konten keineswegs, wie behauptet, treuhänderisch für die DDR gehalten. Vielmehr habe der Fleischmogul zwischen 1977 und 1990 Gelder aus privaten Spekulationsgeschäften, Firmengewinnen und Zinsen über den KoKo-Kanal in die Schweiz und damit um den deutschen Fiskus herum bugsiert. Teilweise wurden auch Rückflüsse aus Zahlungen Moksels an den ostdeutschen Außenhandelsbetrieb AHB Nahrung, die zuvor als Betriebsausgaben geltend gemacht worden waren, auf das Schweizer Konto umgeleitet. In anderen Fällen überwies der AHB Nahrung Zahlungen von der Firma Moksel in Höhe von mehreren hunderttausend US- Dollar an die schweizerische Firma Allmeat weiter.

Der Briefkasten der Firma Allmeat findet sich nach Recherchen der taz an einem schlichten Einfamilienhäuschen in dem Kaff Speichern im Kanton Appenzell. Ein Blick ins Handelsregister offenbart die Besitzer der Briefkastenfirma: Moksel-Männer aus Buchloe. Insgesamt wurden über den volkseigenen Geldwaschsalon KoKo immerhin um die 100 Millionen in die Schweiz geflößt. Es läppert sich eben zusammen.

Für Moksel strafrechtlich brisant ist die Auffassung der Staatsanwälte, daß seine Selbstanzeige vom Januar 1991 unwirksam sei, also keine strafaussetzende Wirkung habe. Peinlich ist das Fazit der Fahnder aber auch für die bayerische Finanzbürokratie. Denn auch deren leichtfertige „Verständigung“ mit dem mutmaßlichen Steuersünder Moksel lassen die Berliner Ermittler nicht durchgehen. Vielmehr fordern die Staatsanwälte in einem Schreiben an die Oberfinanzdirektion München vom 22. September 1993, das der taz vorliegt, umgehend die Erstellung eines Steuerstrafberichtes im Fall Moksel an – ein deutlicher Rüffel für die weiß-blaue Finanzadministration und ihr bisheriges Handling der Causa Moksel. Knallhart verlangen die Berliner auch Auskunft darüber, wie die Bayern Schmiergeldzahlungen des Moksel-Konzerns steuerlich behandelt haben.

Unklar ist die Rolle des bayerischen Finanzministeriums in der Moksel-Affäre. Nach Angaben des Ministeriums hat es zu der „Verständigung“ zwischen Moksel und dem Finanzamt Kaufbeuren kein Einverständnis erteilt; andererseits erhob es dagegen aber auch keinen Einspruch.

Die Praxis der bayerischen Finanzbehörden im Umgang mit sogenannten „Großkopfeten“ war vor wenigen Wochen ins Zwielicht geraten, als das Fernsehmagazin „Report Baden-Baden“ enthüllte, daß in der Amtszeit Gerold Tandlers als Finanzminister dem „Bäderkönig“ und früheren Strauß- Spezi Eduard Zwick eine Steuerschuld von rund 70 Millionen D-Mark erlassen wurde.

In der kommenden Woche entscheidet der Bayerische Landtag über die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Affäre Zwick. Im gleichen Aufwasch soll das Mandat des Schalck-Untersuchungsausschusses auf die Steuertricksereien Moksels ausgeweitet werden.