: Eine fantastische Frisur in nur 5 Sekunden
■ Schönheit aus dem Computer: Ein Bremer Meister setzt auf EDV-gestützte Traumfrisuren/ Ein Selbstversuch
Neuerdings kann dem Schneewittchen ganz ohne Spieglein geholfen werden: Per Computer und Videoprint wird sie für 30 Mark zur Schönsten im ganzen Land. Da sprießen ihr im Zeitraffertempo die längsten Zöpfe - grün, wenn gewünscht. Oder die Traumfrisur stülpt sich ihr in elektronischer Blitzgeschwingigkeit über, so daß ihr Lächeln zufriedener wird: Zuhause will sie ihre sieben Zwerge mit dem Fotoprint blenden - und beweisen, wer sie wirklich ist.
Für die leibhaftige Verwandlung allerdings, für den Haarschnitt, der einer Computersimulation folgt, müßte selbst Schneewittchen etwas länger sitzen. Denn noch schwingt die Schenker-Equipe aus der Osterstraße, im Windschatten des Wandbildes an der Kaisen-Brücke gelegen, die Schere - und nicht den Laserstab.
Im übrigen aber haben sich die Schenkers dem Trend der modernen Zeiten angepaßt - der „Schönheitsberatung“. Ein schlichter „Haareschneider“ nach dem Motto „Pott raufsetzen und abhacken“ wollen sie nicht sein, betont Gordon Schenker, der jüngste unter den vier MeisterInnen. Und deshalb greift man im Familienunternehmen rund um die menschliche Eitelkeit mit derselben Lässigkeit zu Puderquaste und Video-Kamera wie zur Schere.
Aber zuvor entscheiden sich Kunden oder Kundinnen für den Schnitt. Jede Menge digitale Frisuren stehen seit November zur Wahl: 160 für die Frauen, 60 für die Männer. Mit Farbe, mit Strähnchen, abstehend oder anliegend - die letzten Retouchen erledigt der Friseur. Mit der Maus bearbeitet er Kopf und Haare auf dem Bildschirm - und fühlt sich dabei kein bißchen herabgesetzt in seiner beruflichen Leistung. Im Gegenteil: „Man muß die Frisuren ja alle schneiden können - da hilft einem der beste Computer nichts.“
Statt dessen tut der Apparat noch Gutes. Er befördert die Kreativität: „Selbst ich bekomme dabei noch neue Ideen,“ gibt der Altmeister des Hauses nach 50-jähriger Schneiderei zu. „Außerdem sehen die Jungen auf dem Bildschirm, was alles möglich ist Das weiß man sonst erst nach zehn Jahren Berufserfahrung“, gerät er fast ins Schwärmen. Und verrät mit seiner Begeisterung für Neues und für die Jugend ganz nebenbei, wie es dieser Familie gelingt, friedlich zusammenzuarbeiten.
Der lebhafteste unter den Jüngern des computergesteuerten Frisurenwahlprogramms ist jedoch der Sohn. Nicht aus Liebe zu Computern im allgemeinen. Sondern weil ihm die Technik eine Bürde namens „mißtrauischer Kunde“ abnimmt: Diese schwierige Sorte Mensch muß ihr künftiges Aussehen nun selbst komponieren. „Dann heißt es nicht mehr, Sie haben doch gesagt...“ erklärt Gordon Schenker und klingt ein wenig erleichtert. Nie wieder, so scheint es, will er dafür angeklagt werden, wenn KundenInnen hinterher wie Mops aussehen. Weil sie die Haare nicht entsprechend pflegen und obwohl er sie gewarnt hatte. Nun sind sie selber schuld. Der Meister: „Ich bin ja nicht Jesus.“
Obwohl ihm einmal doch gelang, aus Wasser Wein zu machen. Da übertraf er selbst den Computerentwurf. „Die Kundin sah besser aus als auf jedem Foto“, frohlockt er über den Triumph der realen Haarschneidekunst. Eva Rhode
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