„Kein Profit mehr mit Blutspenden“

■ Der niedersächsische Gesundheitsminister Walter Hiller (SPD) fordert, Privatfirmen vom Blutspendewesen auszuschließen

Gewinnorientierte Unternehmen führen bei der Herstellung von Blutkonserven und Frischplasma aus Kostengründen die vorgeschriebenen HIV-Tests nicht immer ordnungsgemäß durch. Dies hat der jüngste Blut-Aids-Skandal um die Koblenzer Firma UB Plasma und die Osteroder Haemoplas GmbH deutlich gezeigt. Bei UB Plasma wurden mehrere Plasmaspenden zusammengeschüttet und unzulässigerweise erst im „Pool“ getestet. Dadurch kann das Testergebnis verfälscht werden. Bei Haemoplas hat das Kontrollabor im nordrheinwestfälischen Wülfrath nicht jede Blutspende, sondern nur jede vierte oder fünfte eines Spenders getestet. Bei beiden Unternehmen gibt es Hinweise darauf, daß die Spender zum Teil aus der Drogenszene kamen. Sie lockt das Entgelt von rund 40 Mark pro Plasmaspende, an der die Unternehmen bis zu 3.000 Mark verdienen.

taz: Herr Hiller, die Affären um Firmen wie UB Plasma oder Haemoplas haben gezeigt, daß die für die Kontrolle zuständigen Bezirksregierungen völlig überfordert sind. Wie läßt sich dieses Problem in Zukunft lösen?

Walter Hiller: Die Kompetenzen sind so geregelt, daß eine effiziente Kontrolle nicht möglich ist. Es hat sich in den letzten Wochen gezeigt, daß wir Überlegungen zur Neuordnung der Arzneimittelsicherheit anstellen müssen. Und diese Neuordnung kann nur darin bestehen, daß wir eine Kontrollinstanz der Länder auf gemeinnütziger Basis schaffen. Einem solchen „Arzneimittel-TÜV“ müssen natürlich auch die entsprechenden Möglichkeiten an die Hand gegeben werden. Das bedeutet – und auch das hat die Erfahrung in den vergangenen Wochen und Monaten gezeigt –, daß Kontrollmaßnahmen nicht nur darin bestehen dürfen, Protokolle und Protokollbücher zu überprüfen. Die waren bei Haemoplas ja in Ordnung, wie die Bezirksregierung festgestellt hatte. Wir brauchen Fachleute, die in der Lage sind, die Prozesse in den Labors zu verfolgen. Und zwar nicht so, daß sie da nur einmal die Nase reinstecken, sondern es muß möglich sein, daß sie über bestimmte Zeiträume diese Prozesse verfolgen. Da ist ein Defizit, und das kann durch eine solche Institution ausgefüllt werden.

Ein „Arzneimittel-TÜV“ würde auch länderübergreifende Kontrollen erleichtern?

Ja, es hat sich bei der Firma Haemoplas, die mit einem Kontrollabor in Nordrhein-Westfalen zusammenarbeitete, gezeigt, daß Kontrollen über die Ländergrenzen hinweg funktionieren müssen. Firmen wie UB Plasma und Haemoplas arbeiten profitorientiert. Von daher besteht immer die Gefahr, daß sie eventuelle Gesetzeslücken ausnützen, oder aber daß sie Kontrollen auf HIV-Viren nicht so durchführen, wie es möglich und vom Gesetz vorgeschrieben ist. Deshalb wäre ein gemeinnütziger „Arzneimittel-TÜV“ als Kontrollinstanz die beste Lösung. Wir werden in der Konferenz der Ländergesundheitsminister nächste Woche in Hamburg über eine solche Einrichtung beraten. Das muß auch in Absprache mit dem Bund geschehen.

Wie könnte die Zusammenarbeit eines „Arzneimittel-TÜVs“ mit dem Bundesgesundheitsamt (BGA) aussehen? Bisher liegt das Problem ja auch in der Zersplitterung der Zuständigkeiten. Das BGA ist für die Zulassung der Herstellungsverfahren zuständig, die Bundesländer für die Kontrolle. Dafür fehlen ihnen aber die Voraussetzungen. Wie könnte das zusammengeführt werden?

In dem „Arzneimittel-TÜV“ sollen die Kompetenzen der Länder gebündelt werden. Ob das Arzneimittelinstitut des BGA integriert werden sollte, hängt auch von der Neuordnung des BGA ab. Bei der Frage der Blutprodukte muß man aber noch früher ansetzen. Das beginnt schon beim Blutspenden selbst. Ich vertrete die Auffassung, daß Blutspenden auf kommerzieller Basis verboten werden müssen.

Wer sollte diese Aufgabe dann übernehmen?

Wir haben exzellente Blutspendedienste in den Krankenhäusern. Jedes größere Krankenhaus hat ja seine eigene Blutbank. Wir müssen sicherstellen, daß das Abnehmen von Blut und Plasma und das Testen dieser Produkte durch Stellen erfolgt, die nicht profitorientiert sind. Private Firmen dürften nur noch für die Verarbeitung von geprüften Blutprodukten zugelassen werden.

Das bedeutet, die Firmen würden das Blut nicht mehr selbst abzapfen...

...sondern die könnten nur noch Blut in den Handel bringen, das bereits kontrolliert ist und von dem man dann ausgehen kann, daß es sicher ist. Hier würde ich einen Schnitt machen und sagen, es gibt im Gesundheitsbereich Grenzen, und die Grenze zieht man da, wo es um Blutabnahme und Kontrolle auf HIV-Viren geht.

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer weigert sich ja bislang, gewinnorientierte Unternehmen vom Blutspendewesen auszuschließen. Die Bundesrepublik ist damit das einzige Land in der EG, in dem Privatfirmen noch Blut und Plasma abzapfen dürfen. Sehen Sie eine Chance, Seehofer noch umzustimmen?

Bei dieser Frage fehlt Herrn Seehofer leider die nötige Konsequenz. Wir werden nächste Woche mit Herrn Seehofer diskutieren und uns auch über diesen Punkt mit ihm auseinandersetzen.

Wie beurteilen Sie die Maßnahmen, die Herr Seehofer bisher für eine höhere Sicherheit von Blutprodukten auf den Weg gebracht hat, also die Quarantänelagerung für Plasma und die Chargenprüfung für aus Plasma hergestellte Arzneimittel?

Dem kann ich nur zustimmen.

Was halten Sie darüber hinaus für notwendig?

Neben dem schon erwähnten „Arzneimittel-TÜV“ müssen die Krankenhäuser die Voraussetzungen schaffen, daß so weit wie möglich auf Eigenblutspenden zurückgegriffen werden kann. Wir müssen außerdem von Blutproduktimporten unabhängig werden. Wir müssen sicherstellen – und auch das wird nächste Woche Thema sein –, daß wir eine nationale oder noch besser regionale Versorgung hinbekommen. Das müßte auch möglich sein. Ich habe die Krankenhäuser und die Ärzte aufgefordert darüber nachzudenken, ob in diesen Mengen und diesem Umfang Blutprodukte eingesetzt werden müssen. Die Deutschen sind ja Weltmeister im Verbrauch von Blutkonserven und Plasma. Da appelliere ich auch an eine Bewußtseins- und Verhaltensänderung der Ärzte.

Wenn man gewinnorientierte Unternehmen vom Blutspendewesen ausschließt, bedeutet das aber auch, daß eine Firma wie Haemoplas, die ausschließlich Frischplasma vertreibt, dann entweder schließen oder sich ein neues Produktionsgebiet suchen muß.

Ja, das wäre die Konsequenz. Aber an erster Stelle muß die Sicherheit derer stehen, die Blutprodukte übertragen bekommen und davor haben wirtschaftliche Interessen, auch die von Privatunternehmen, zurückzustehen. Interview: Dorothee Winden