Keine Zähne gezogen

■ Studenten-Streik an Zahnkliniken / Um Geld zu sparen, soll Charit geschlossen und FU-Zahnmedizin geteilt werden

An den drei Zahnkliniken der Universitäten wurden gestern keine Zähne gezogen. Rund 1.500 Studierende legten den Betrieb – bis auf Notdienste – lahm, um gegen die Neuordnung der unversitären Zahnheilkunde zu protestieren. „Wir streiken erst mal bis Montag“, erklärten Studenten in der Zahnklinik der Charité in der Invalidenstraße. Am Morgen versammelten sich dort mehr als 500 Studenten der Freien und der Humboldt-Universität, um die Blockade der Kliniken zu organisieren.

„Wir streiken für eine Übergangsregelung“, sagte die Charité- Studentin Alexandra Sanden gestern der taz. Darin sollte ihnen eine hochwertige Ausbildung und Praktikumsplätze garantiert werden. Die über 300 Studierenden der Charité wollen ihr Studium an dieser ältesten deutschen Uni- Zahnklinik auch zu Ende bringen. Das wäre nicht möglich, wenn der Berliner Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) die Klinik schließen würde. Er hält das 1884 gebaute Haus für baufällig und will die Renovierungskosten sparen, die 60 Millionen Mark betrügen.

Die Schließung der Charité scheint der einzige Konsens zu sein, den das Dutzend der bisher unterbreiteten Vorschläge enthält. Alles andere ist strittig in der Gesamtberliner Zahnmedizin: Erhardt will die Zahnkliniken Nord und Süd, die bislang zur Freien Uni gehören, der HUB zuschlagen. Der letzte, anderslautende Vorschlag aus der CDU-Fraktion favorisiert eine „vertikale Teilung“ der FU-Zahnmedizin, wobei die Süd-Klinik in der Aßmannshauser Straße künftig an die FU und die Klinik Nord (bislang Rudolf-Virchow) an die Humboldt-Uni fallen würde. Dagegen protestierte letzte Woche wiederum Dekan Jean- François Roulet, weil dadurch die in der Forschung allgemein als sehr gut eingeschätzte FU-Zahnmedizin zerrissen würde. Gestern nachmittag traf sich ein Koalitionsausschuß von SPD und CDU, dessen Ergebnisse bis Redaktionsschluß nicht feststanden.

Die Studenten der Charité erläuterten, daß eine Schließung ihrer Zahnklinik ihre Ausbildung gefährden würde. „Du bist in der Ausbildung an einen Behandlungsstuhl gebunden“, meinte Regina Lemme – den aber hätten sie nur in der Invalidenstraße sicher. Von diesen „Dentaleinheiten“ gebe es an der Klinik Nord zu wenig. „Wir müßten uns dort um 40 Stühle prügeln“, sagte die Studentin. Außerdem sei es fraglich, ob die Klinik Nord genug PatientInnen habe, um mehrere hundert HUB-Studenten auszubilden. „Bei uns geht kein Student raus“, meinte Charité-Professor Thierfelder, „der nicht 20 Zähne gezogen hat.“

Die Charite-Klinik ist keineswegs baufällig. Ein Drittel der 90 Behandlungsstühle dort wurde jüngst neu angeschafft. Im vierten Stock des Gebäudes steht seit einigen Wochen die modernste Sterilisationsanlage für Zahnbesteck in Berlin. Die vier Hörsäle der Charité sind frisch renoviert. Christian Füller