Bürgergeld statt Sozialhilfe

■ "Bürgergeld" oder "Negativsteuer" sollen Niedriglöhne aufstocken und das Sozialsystem vereinfachen / Konzept findet bei allen Parteien Gehör / Kritiker fürchten die Zunahme der Billiglöhne

Berlin (dpa/taz) – Neu ist die Idee nicht. Aber jetzt sind auch die Christdemokraten drauf gekommen. Die „Negativsteuer“, auch „Bürgergeld“ genannt, soll das Sozialleistungssystem vereinfachen. Die Grundidee dabei: Soziale Transferleistungen und das Steuersystem müßten enger miteinander verzahnt werden. Arbeitslose sollen durch Einkommenshilfen via Finanzamt ermuntert werden, auch schlechter bezahlte Tätigkeiten anzunehmen. Die CDU-Sozialausschüsse (CDA) und die Wirtschaftsvereinigung der CDU (WIR) stellten gestern ihr Konzept zur Negativsteuer vor.

Nach den Grünen, der SPD und der FDP schwenken damit auch Teile der Union auf den Trend ein, über neue Formen der Sozialleistungen nachzudenken. Ein System von „mehr Gerechtigkeit, größerer Zielgenauigkeit und geringerem Verwaltungsaufwand“ solle im kommenden Februar im neuen Grundsatzprogramm der CDU verankert werden, forderten CDA und WIR.

Wie die anderen Parteien auch, fordern die Sozialausschüsse der CDU, den Steuertarif für Einkommens- und Lohnsteuer um einen Negativbereich für auszuzahlende Sozialleistungen zu erweitern. Notwendig sei eine schrittweise Verknüpfung steuerfinanzierter Sozialleistungen mit der Einkommens- und Lohnbesteuerung, sagten die stellvertretenden Vorsitzenden von CDA und WIR, Hermann-Josef Arentz und Martin Leicht. Die „Negativsteuer“ oder das „Bürgergeld“, welches die Sozialleistungen bündeln soll, führt bei niedrigem Familieneinkommen zu Auszahlungen über die Finanzämter. Sozialhilfeempfänger sollten bei der Aufnahme einer Tätigkeit nicht länger voll, sondern zunächst nur zur Hälfte in die Steuerpflicht fallen, forderte Arentz. Er kritisierte, das heutige System führe einerseits zur Überversorgung durch Mißbräuche, andererseits zur Unterversorgung. Für Niedrigverdiener lohne sich die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nicht. Man erhoffe sich auch, daß mit der Bezuschussung von Niedriglöhnen die unteren Tarifgruppen entlastet würden. Wenn der Staat niedrige Löhne durch die Negativsteuer auffülle, könnten die Tarifpartner im unteren Einkommensbereich wieder niedrigere Abschlüsse vereinbaren. Genau diese Seite der Lohnsubventionierung aber wird bemängelt. Kritiker wie der SPD- Arbeitsexperte Ottmar Schreiner befürchten, daß die Negativsteuer eine „Sogwirkung“ nach unten auf die Löhne haben könnte. Wenn Billiglöhne subventioniert würden, lohne es sich für die Arbeitgeber wieder mehr, unterbezahlte Tätigkeiten anzubieten. Nach Einschätzung des Finanzministeriums würde durch das „Bürgergeld“ die Eigenverantwortung des Einzelnen geschwächt, da dies im Gegensatz zur Sozialhilfe keine nachrangige Leistung mehr sei. Barbara Dribbusch