Abschiebeaktion nach Angola verhindert

■ Innensenator Heckelmann wollte Flüchtlinge in das Kriegsland schicken

Buchstäblich Todesängste erlitten vergangenen Sonntag angolanische Flüchtlinge auf dem Flughafen Schönefeld. Nur 15 Minuten vor Abflug via Moskau ins Bürgerkriegsland gelang es dem ausländerpolitischen Sprecher der SPD- Fraktion, Eckhardt Barthel, vier Angolaner, darunter ein Kleinkind, vor der Abschiebung zu bewahren. In Angola tobt derzeit ein grausamer Bürgerkrieg, dort starben in den letzten acht Monaten über eine Million Menschen. Das Bundesamt für politische Flüchtlinge, das Landeseinwohneramt, die Ausländerpolizei und der Bundesgrenzschutz wollten die Abschiebung durchziehen, weil sie über eine Zusage von Innensenator Heckelmann – derzeit niemanden nach Angola abzuschieben – nicht informiert wurden. Der Innensenator hatte am 10. November dem Ausländerausschuß im Parlament versprochen, sich beim Auswärtigen Amt über die akute Lage in Angola zu informieren und bis dahin alle geplanten Abschiebungen auszusetzen. „Der Innensenator hat sein Versprechen gebrochen“, sagt Eckhardt Barthel, „auf ihn ist kein Verlaß.“

Daß die Abschiebungen in letzter Minute verhindert wurden, ist purem Zufall zu verdanken. Und daß gleich vier Menschen gerettet werden konnten, erst recht. Denn ursprünglich ging es nur um die gerade 18 Jahre alt gewordene Julia E. Diese lebte bis zu ihrer Volljährigkeit in einem Heim für minderjährige Flüchtlinge und wurde zwei Tage nach ihrem Geburtstag, am 5. November, in ein reguläres Asylbewerberheim verlegt. Dort wurde sie am vergangenen Sonnabend ohne Vorabbescheid festgenommen und in die Abschiebezentrale Gothaer Straße gebracht. Durch Zufall hörte davon die DRK-Sozialarbeiterin Ludmilla Hanisch. Ihr Protest direkt in der Gothaer Straße wurde von den Beamten abgebügelt. Von einem Abschiebestopp wüßten sie nichts, und im übrigen solle sie „in den Bürozeiten wiederkommen“. Frau Hanisch alarmierte Traudl Vorbrodt von der Flüchtlingsorganisation „Asyl in der Kirche“, und der gelang es, Eckhardt Barthel an die Strippe zu bekommen. Aber in der Nacht konnte er keinen der Verantwortlichen erreichen.

Am Sonntag morgen erfuhr Frau Hanisch in der Gothaer Straße, daß die 18jährige Angolanerin sich schon auf dem Weg nach Schönefeld befand. In einer „wahnsinnig hektischen Telefonaktion“, so Barthel, gelang es ihm kurz vor neun Uhr morgens, endlich einen Beamten der Ausländerbehörde zu erreichen. Auch der wußte nichts von einem Abschiebestopp, glaubte Barthel aber und wies um 9.20 Uhr die Grenzschützer an, Julia E. zurück in die Gothaer Straße zu bringen. Um 9.35 Uhr sollte das Flugzeug starten. Dabei erfuhr der Beamte, daß sich in dem Flugzeug auch eine angolanische Familie mit Kleinkind befand. Gestern entschied das Bereitschaftsgericht, das Abschiebeurteil für Julia E. vorläufig aufzuheben. Von der angolanischen Familie fehlt bis jetzt, so Traudl Vorbrodt, jede Spur. Die Innenverwaltung will die konkreten Fälle nachprüfen. Anita Kugler