Die Rache des Mullah-Regimes

■ Iraner, die wegen Anschlag auf Konsulat vor Gericht stehen, fürchten Killerkommandos

Mit einem Einstellungsantrag wegen akuter Gefährdung der Angeklagten begann gestern vor der Großen Strafkammer 2 der Prozeß gegen sechs oppositionelle IranerInnen. Ihnen wird zur Last gelegt, am 5. April 1992 das Iranische Konsulat gestürmt, demoliert, den Hausmeister die Treppe heruntergestoßen und anschließend mehrere Molotow-Coctails ins Gebäude geworfen zu haben. Fünf Personen hatten damals Rauchvergiftungen erlitten.

Anlaß der Aktion war das Bombardement eines Lagers iranischer Volksmudjaheddin im Irak. Als Reaktion hatten an jenem Sonntagnachmittag 50 oppositionelle IranerInnen die iranische Vertretung in Winterhude gestürmt. Sechs Personen waren bei der Aktion von der Polizei schließlich festgenommen worden.

Es ist ihnen nicht anzumerken, doch die fünf Männer und eine Frau, die jetzt vor Gericht stehen, haben Angst - Angst, Opfer des iranischen Terrorregimes zu werden. Denn es ist kein Geheimnis: Das islamische Mullahregime verfolgt seine Gegner auch im Exil, Killerkommandos sind weltweit unterwegs. Die Angst der Angeklagten ist so groß, daß sie gestern anfangs noch nicht mal ihre Namen sagen wollten.

Die Verteidigung beantragte deshalb die Einstellung des Verfahrens, weil sich ihre Mandanten nicht verteidigen könnten, ohne sich weiteren Repressalien auszusetzen und womöglich Entlastungszeugen zu gefährden. Indiz für die akute Gefahr ist für die Verteidigung die Tatsache, daß die iranische Botschaft in Bonn zwei Düsseldorfer Juristen als Nebenkläger in das Verfahren entsandt hat, denen bereits umfangreiche Akteneinsicht gewährt worden ist. Verteidiger Dieter Magsam: „Es ist bekannt, daß Düsseldorf - wo die Anwälte herkommen - Anlaufstelle für iranische Killerkommandos ist.“ Der Nebenklagevertreter Joachim-Albert Liemersdorf wies diese Vorwürfe zurück:. „Es geht darum, iranische Einrichtungen vor Angriffen zu schützen. Terroristische Killerkommandos sind mir nicht bekannt. Wir sind auch nicht der verlängerte Arm des iranischen Informationsministeriums.“

De Verteidigung stützt sich bei ihrem Einstellungsbegehren auf amtliche Quellen. So hatte der Kölner Verfassungsschutz die Rede eines hohen iranischen Politikers übersetzt, in der dieser offen zugegeben hatte, daß Oppositionelle auch im Exil verfolgt würden. Das Bundeskriminalamt hat überdies konkrete Hinweise, daß die diplomatischen Vertretungen als „Kommandozentralen für die Verfolgung von in Exil lebenden Iranern“ sei. Die „terroristischen Aktivitäten aus diplomatischen Vertretungen“ würden zudem „ständig zunehmen“. Verteidiger Jan Mohr: „Eine Ergreifung der Täter ist wegen des diplomatischen Status somit unmöglich.“

Daß diese Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, mußten einige Angeklagte schon am eigenen Leib erfahren. So bekam ein Angeklagter Telefonanrufe einer Mitarbeiterin des iranischen Informationsministeriums, die ihn aufforderte, ab sofort als Informant für das Mullahregime zu arbeiten, andernfalls würde mit ihm „abgerechnet“. Gleichzeitig wurden seine Eltern im Iran festgenommen, um die neue Anschrift des Mannes herauszubekommen.

Eine Entscheidung wird Freitag verkündet. Eugen Kirch jr.